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Pragmatisierung

am anderen Ende des Turbokapitalismus


woho

In dem Gebirgsdorf war der Klassenkampf noch zu spüren, als ich dort zur Schule ging. Kleine Greißler und einfache Arbeiter bewarfen einander mit politischen Parolen. Hier der "böse Kapitalist", dort der "faule Sozialist" oder gar "Kommunist". Es war die Zeit der Verteilungskämpfe, der Streiks, der mächtigen Gewerkschaften. Sogar in den Familien wurde heftig über Politik gestritten. Meinem Onkel liefen die Tränen über die Wangen, wenn jemand schlecht über "seinen" Kreisky redete.

Dann ging alles sehr schnell. Aus Sozialisten wurden Sozialdemokraten, aus strammen Kommunisten oft sogar überzeugte Kapitalisten. Selbst die österreichischen Gewerkschaften versuchten sich als Unternehmer und fielen auf die Nase.
Inzwischen haben wir die Grenzen der freien Marktwirtschaft kennen gelernt. Geht also auch nicht, wenn alle Kapitalismus spielen. So was blödes aber auch.

Jetzt sind wir längst in der nächsten Runde, dem nächsten Verteilungskampf. Diesmal liegen die Fronten zwischen geschützen und ungeschützen Arbeitsplätzen. Für die inzwischen nurmehr geforderte eine (!) Stunde mehr Unterricht hat die Lehrergewerkschaft allen ernstes vorgeschlagen, sämtliche Lehrer wieder zu pragmatisieren. Und das, während alle Welt mit Kurzarbeit oder gar Arbeitslosigkeit kämpft.
Willkommen im Klassenkampf des 21. Jahrhundert.

 

Quelle: woho, erschienen am 15.4.2009
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