Mein erster Gedanke nach dem Attentat auf Gabrielle Gliffords war: Kein Wunder. Jeder von uns hat so viel Wut im Bauch, und jetzt hat halt einer durchgedreht auf eine Politikerin geschossen. Noch weniger überraschend in den USA, wo ohnehin jeder Verrückte mit einer Waffe herumlaufen kann, wenn ihm gerade danach ist.
Es ist dieses Gefühl ohnmächtiger Wut, das uns solche Gedanken einflößt. Fast jeder ist verunsichert, viele haben Angst. In kurzer Zeit ist so viel passiert, dass wir kaum noch Überblick behalten können. Zuerst kam "die größte Wirtschaftskrise seit den 1930er Jahren" auf uns zu, und schon am nächsten Tag warfen die Politiker mit Euromilliarden nur so herum. Und während sich die einen verzweifelt gegen Sparpakete wehren, verkünden die anderen den neuen Wirtschaftsboom. Und kaum haben Banken Milliarden in ihre dicken Hintern, pardon, Glaspaläste geschoben bekommen, verkünden sie schon wieder irrwitzige Gewinne.
Mit dieser Hochschaubahn kommen immer weniger Menschen zurecht. Die einen verkriechen sich in ihre Wohnung und zappen schnell weiter, wenn das Fernsehen Nachrichten zeigt. Die anderen schnauben vor Wut und gehen sogar auf die Straße. Die bundesdeutsche Gesellschaft für deutsche Sprache hat deshalb "Wutbürger" zum Wort des Jahres 2010 gekürt.
Hier im ReSI ist das kaum anders: Sobald es auch nur am Rande um Politik geht, kommt eine Welle von Kommentaren voller blanker Wut. Und schnell sind Sündenböcke gefunden: die Grünen, die Schwarzen, die Roten, oder gar die Asylanten und die Ausländer.
Doch mit unserer Wut machen wir nichts besser. Das war schon damals so, nach der der großen Wirtschaftskrise in den 1930er Jahren. Zuerst haben Österreicher aufeinander geschossen, SPÖ gegen ÖVP, Schutzbund gegen Heimwehr. Und dann gab's da noch eine dritte Partei, die hat von dem Hass profitiert und fleißig geschürt...