Die ganze Welt hat damals gebannt auf Deutschland geschaut: wird die Demokratie die Herausforderung des Terrorismus bewältigen? Wie wird sie reagieren? Die RAF (Rote Armee Fraktion) hatte dem Staat den Krieg erklärt: ganz bewusst, mit ideologischer Überzeugung. Wer waren diese Leute? Wahnsinnig gewordene Kommunisten? Was war da eigentlich los?
Im September war auf 3SAT die Themenwoche "Anklage Missbrauch". Ausführlich wurde da dokumentiert, wie es in Deutschlands Heimen und Internaten zugegangen war. Besonders die schrecklichen Vorfälle in der Odenwaldschule wurden ausführlich beleuchtet. Auch aus der Schweiz waren umfangreiche Dokumentationssendungen dabei. Keine einzige übrigens aus Österreich.
Nur eine einzige Dokumentation hab ich mir in dieser Woche angeschaut, und bin aus allen Wolken gefallen: Ulrike Meinhof, die zentrale Führungskraft der RAF, hatte selbst Gewalt und Missbrauch ein einem der schlimmsten Heime Deutschlands erlebt. Ihren Kolleginnen hatte sie damals versprochen: "ich hol euch hier raus!".
Die erste Terroristin Deutschlands war also alles andere als eine durchgeknallte Kommunistin. Sie wollte lediglich den Staat für das zur Verantwortung ziehen, was er ihr angetan hat. Der Staat hat dann entsprechend heftig zurückgeschlagen, die Eskalation war wohl unvermeidlich.
Die Opfer von Schloss Wilheminenberg und ähnlichen Einrichtungen sind zu sehr traumatisiert, um sich ernsthaft zu wehren. Ein bisserl Geld und liebe Worte sorgen dafür, dass keines durchdreht. Die Regierung lehnt sich inzwischen bequem zurück und tut so, als sei nichts geschehen.
Bis jemand aufsteht und sagt: "Ulrike Meinhof lebt!"