Jena - Ein Forschungsteam unter der Leitung
von Otto W. Witte von der Klinik für Neurologie an der
Friedrich-Schiller-Universität Jena http://www.med.uni-jena.de/ hat
herausgefunden, dass das Gehirn kurz nach einem Schlaganfall eine höhere
Lernfähigkeit hat. Bei einem Schlaganfall werden die Blutgefäße
verschlossen oder gerissen, was oftmals geistige oder körperliche
Beeinträchtigungen zur Folge hat.
Die Forscher beobachteten dank verbesserter Bildgebungsmethoden, deren
Entwicklung ein Forschungsschwerpunkt am Universitätsklinikum ist, den
Aufbau neuer Verbindungen zwischen den Gehirnzellen nach einem
Schlaganfall, in Einzelfällen sogar die Bildung neuer Zellen. Die
Vorgänge im Gehirn, die beim Lernen auftreten, finden auch nach einem
Schlaganfall statt. Das geschädigte Gehirn weist ein verändertes
Verhalten auf. Es ist leichter erregbar, was schlimmstenfalls zu Anfällen
führen kann. Zugleich ist die Lernfähigkeit erhöht, die medikamentös und
durch spezifische Trainings genutzt werden kann, um die aufgetretenen
körperlichen und geistigen Einschränkungen zumindest teilweise zu
behandeln.
Dieses Verhalten basiert auf der Aktivität der so genannten
GABA-Rezeptoren, deren Zusammensetzung im Gehirn nach einem Schlaganfall
variiert. Die Botenstoffe, die in einem Drittel des Gehirns für die
Nachrichtenweitergabe zuständig sind, weisen nach einem Schlaganfall "ein
jugendliches Muster" auf. Das Gehirn befindet sich für wenige Monate in
einem jugendlichen, besonders lernfähigen Stadium. Gewisse Funktionen aus
den betroffenen Gehirnarealen können durch benachbarte Gehirnregionen
ausgeübt werden.
Das verletzte Gehirn weist für eine begrenzte Zeit Fähigkeiten auf, die
es vorher nicht hatte. "Es gibt ein Zeitfenster, das man nutzen sollte",
setzt sich Witte für einen raschen Beginn von Reha-Maßnahmen ein. Doch
die Verletzungen des Gehirns lösen auch eine beschleunigte Alterung aus.
Diese Demenzentwicklung, oft mit depressiven Entwicklungen verbunden, ist
deutlich gesteigert. Die Jenaer Neurologen konzentrieren sich nun auf die
Erforschung von Gegenmitteln, um die raschen Alterungsprozesse zu
verzögern oder gar zu stoppen. "Doch bis dahin ist es noch ein langer
Weg", begrenzt Witte die Hoffnungen auf eine schnelle Lösung.