Wetzlar - Die gesetzlichen Initiativen
zur Reduzierung der klimaschädlichen Emissionen von Kohlendioxid werden
nach Ansicht von Wissenschaftlern und Politikern zu einer nachhaltigen
Änderung der Abfallwirtschaft führen. Der sechste Wetzlarer Abfalltag
beschäftigte sich mit den Auswirkungen des
Treibhausgas-Emissionshandelsgesetzes (TEHG) auf die unterschiedlichen
Verfahren zur Entsorgung von Abfall. Das TEHG ist das Basisgesetz für
die Umsetzung der Emissionshandelsrichtlinie, die vorsieht, dass
Unternehmen ab dem 1. Januar 2005 nur noch Kohlendioxid ausstoßen
dürfen, wenn sie hierfür eine entsprechende Anzahl von
Emissionsberechtigungen (Zertifikate) zu einem festgelegten Stichtag
besitzen.
"Da die verschiedenen Abfallkonzepte in unterschiedlichem Maße zum
Treibhauseffekt beitragen, wird durch die geeignete Wahl des
Behandlungsverfahrens eine Netto-Klimaentlastung möglich, die sich als
Gutschrift anführen lässt. Das gilt vor allem dann, wenn die
Wirkungsgrade der thermischen Abfallbehandlung in Zukunft deutlich
gesteigert werden. Die effiziente stoffliche und energetische
Abfallverwertung in Deutschland kann also mit vergleichsweise geringem
Aufwand zur Minderung von Treibhausemissionen beitragen", sagte der
Klimaforscher Jürgen Scheffran von der University of Illinois
http://www.uiuc.edu. Werde Energie aus Abfall mit einem hohen biogenen
Anteil gewonnen, trage das zur Einsparung von klimarelevanten
Kohlendioxid-Emissionen bei.
"Die rund 400 Millionen Tonnen Abfälle in Deutschland stellen im Sinne
einer nachhaltigen Energie- und Abfallpolitik eine wertvolle Ressource
dar", betonte Scheffran in seinem Referat. Besonders die innovativen
Verfahren der mechanisch-biologischen und thermischen Abfallbeseitigung
würden sich günstig für den Klimaschutz auswirken. Mit entsprechenden
Vorbehandlungsverfahren werde das Treibhauspotenzial mindestens um den
Faktor 10 reduziert. Die Deponierung sei aufgrund der hohen
Methanemissionen die klimapolitisch ungünstigste Entsorgungsvariante.
Methan habe ein Global Warming Potential von 21. Bei einem
Betrachtungszeitraum von 100 Jahren sei es etwa 21 mal
treibhauswirksamer als Kohlendioxid.
Welche energetische Ausbeute im Gegensatz zur umweltschädlichen
Deponierung möglich sei, zeige die Restmüllverarbeitung der Firma Herhof
im Lahn-Dill-Kreis. Das computergesteuerte Rotteverfahren dient der
Trocknung organischer Abfälle, deren anschließender Befreiung von
metallischen Wertstoffen und mineralischen Störstoffen und der
Herstellung eines lagerungsfähigen heizwertreichen Ersatzbrennstoffs.
"Bei einer Trocknung der Biomasse-Anteile auf 15 Prozent Wassergehalt
steigt der Heizwert von Ersatzbrennstoffen deutlich an, bei
Trockenstabilat auf 16.000 Kilojoule je Kilogramm und übertrifft damit
deutlich die gesetzlichen Vorgaben zur energetischen Verwertung", sagte
Scheffran. Nach Ansicht von Karl Ihmels, Landrat des Lahn-Dill-Kreises
http://www.lahn-dill-kreis.de, erfahre das Trockenstabilatverfahren
seines Landkreises durch das Emissionshandelsgesetz eine
außerordentliche Aufwertung. "In den Kraftwerken und
Industriefeuerungsanlagen wird pro erzeugter Energieeinheit eine
bestimmte Menge Kohlendioxid freigesetzt. Am klimaschädlichsten
schneiden dabei Braunkohle und Steinkohle ab. Da das Trockenstabilat zu
zwei Dritteln aus nachwachsenden Rohstoffen besteht, wird bei der
Anwendung des Emissionshandelsrechts für dieses Material von der
ausgestoßenen Menge an Kohlendioxid zwei Drittel in Abzug gebracht. Weil
Erdgas keinen Abzug erfährt, liegt das Stabilat unter den Aspekten des
Klimaschutzes noch weit über dem ansonsten als ökologisch besonders
hochwertig geltenden Erdgas", führte Ihmels aus.
Die Substitution fossiler Brennstoffe, die Vermeidung von Methan und
Lachgas sei nach Einschätzung des SPD-Bundestagsabgeordneten und
Umweltwissenschaftlers Ernst Ulrich von Weizsäcker ein wichtiger Beitrag
der Abfallwirtschaft für den Klimaschutz. "Die Bundesregierung hat ihre
strategischen Ziele in der Abfallwirtschaft erklärt, dass spätestens bis
zum Jahr 2020 Abfälle so zu behandeln oder aufzubereiten sind, dass
keine Deponierung mehr notwendig wird. Klimapolitisch erhält dabei das
Trockenstabilatverahren einen privilegierten Status", sagte Weizsäcker.
Die klimapolitische Bedeutung einer gut organisierten Abfallwirtschaft
haben die Wissenschaftler Bernt Johnke, Jürgen Scheffran und Konrad
Soyez in einem Fachbuch dokumentiert, das soeben im Erich Schmidt Verlag
http://www.esv.info erschienen ist. Titel: Abfall, Energie und Klima,
Wege und Konzepte für eine integrierte Ressourcennutzung, Beiträge zur
Umweltgestaltung, Band A 157, 256 Seiten, 39,80 Euro.