Wien - Eine Flächenkonkurrenz zwischen Nahrungsmittel- und Energieproduktion durch Energiepflanzen wie Raps ist vorerst nicht absehbar. Voraussetzung dafür sind aber internationale Regelungen über die weltweite Aufgabenverteilung. Darüber waren sich Agrarexperten bei einer Diskussionsrunde des Ökosozialen Forums Österreichs http://www.oesfo.at gestern, Donnerstagabend, in Wien einig. "Für die Landwirtschaft ist der Anbau von Energiepflanzen sogar eine große Chance", sagt der Stellvertretende Exekutivsekretär Alexander Müller von der Food and Agriculture Organization (FAO) gegenüber pressetext. "Eine stärkere Nachfrage könnte den seit Jahrzehnten anhaltenden Preisverfall landwirtschaftlicher Produkte stoppen und sogar umkehren."
Mit Blick auf die wachsende Erdbevölkerung dürfe die Lebensmittelproduktion dabei allerdings nicht vernachlässigt werden. Derzeit leben nach Schätzungen der Vereinten Nationen etwa sechs Mrd. Menschen auf der Erde. Experten prognostizieren allerdings einen Anstieg auf bis zu neun Mrd. im Jahr 2050. "Alle diese Menschen werden sowohl Lebensmittel, als auch Energie nachfragen", sagt Müller. "Die große Herausforderung für den Agrarsektor wird darin liegen, beide Bedürfnisse zu befriedigen." In einigen Regionen der Erde - etwa Teilen Afrikas und Asiens - stünden bereits heute keinen freien Flächen für den Anbau von Energiepflanzen mehr zur Verfügung. In Lateinamerika gebe es dagegen etwa großes Potenzial. "Es gibt also kein Flächenproblem, sondern ein Verteilungsproblem", so Müller.
Nach Schätzungen werde sich der Energiebedarf bis zum Jahr 2050 etwa verdoppeln. Grund dafür sind neben der wachsenden Erdbevölkerung auch wirtschaftliche Fortschritte in den Entwicklungsländern. Weltweit lag der Energiebedarf im Jahr 2004 bei etwa 463 Exajoule. Die Prognosen für das Jahr 2050 schwanken derzeit zwischen 600 und 1.000 Exajoule. Aus Pflanzen gewonnene Bioenergie ist deshalb eine wichtige Alternative zu fossilen Energieträgern - nicht zuletzt vor dem Hintergrund des globalen Klimawandels. Die Wirtschaftlichkeit von Bioenergie korreliert eng mit dem Wert von Rohöl. Demnach sind brasilianische Produkte bereits ab einem Preis von etwa 25 Dollar pro Barrel konkurrenzfähig - bei Produkten aus der EU liege diese Grenze allerdings bei etwa 80 Dollar pro Barrel. "Wir brauchen deshalb internationale Regelungen, um einen nachhaltigen Handel zu garantieren", so Müller.
Obwohl Bioenergie aus Nutzpflanzen eine wichtige Ergänzung im weltweiten Energiemix darstelle, sei dennoch eine größere Energieeffizienz erforderlich. "Einerseits müssen wir in Forschung und Entwicklung investieren, um so viel Energie wie möglich aus den Pflanzen herauszuholen. Die Industriestaaten tragen dabei eine besondere Verantwortung", sagt Müller. "Auf alle Fälle wird es jedoch auch erforderlich sein, unseren eigenen Energiebedarf erheblich einzuschränken."