Paris (pte/03.08.2007/13:50) - "Wir haben einfach keine klare Vision für Thunderbird." Mit diesen Worten hat Mozilla-Europe-Präsident Tristan Nitot nun erstmals Stellung in der aktuellen Diskussion um den E-Mail-Client (pressetext berichtete: http://www.pte.at/pte.mc?pte=070731003 ) bezogen. Im Exklusivinterview mit pressetext unterstreicht Nitot, dass zwar der Fortbestand des E-Mail-Projekts für Mozilla Priorität habe, die Entwicklung wie bisher unter dem Dach der Mozilla Foundation aber kaum vorstellbar sei. Im selben Atemzug bemängelt Nitot, dass sich im Gegensatz zu Firefox einfach keine Community rund um Thunderbird gebildet habe, die das Projekt vorantreibe.
"Nicht zuletzt durch den Erfolg von Firefox sind die Leute einfach davon ausgegangen, dass Thunderbird keine Hilfe benötigt und Mozilla das schon schaukeln wird. Das ist aber nicht der Fall. Schließlich können wir die Leute, die für uns arbeiten wollen, ja nicht zwingen, an Thunderbird zu arbeiten", erklärt Nitot. Die Erfahrung der letzten Jahre habe nämlich gezeigt, dass Entwickler, die an Mozilla herantreten, in erster Linie an Firefox mitarbeiten wollten. "Wir sind keine herkömmliche Firma, die diese Leute einfach zu den Projekten zuteilen kann", so der Mozilla-Präsident in Bezug auf das zum größten Teil freiwillige und kostenlose Engagement der Community.
Einmal mehr ließ der Mozilla-Verantwortliche durchblicken, dass die Entwicklung des Webbrowsers das oberste und wichtigste Ziel der Foundation darstellt. Angespornt durch bemerkenswerte Marktanteilssteigerungen (pressetext berichtete: http://www.pte.at/pte.mc?pte=070716015 ) will Mozilla seinem Konkurrenten Microsoft nun erst recht auf die Pelle rücken. Dies umso mehr, da der Trend klar in Richtung webbasierte Applikationen weist, die mit desktopähnlichen Funktionen aufwarten können. Durch die Integration interaktiver Web-2.0-Technologien hat sich beispielsweise der Bedienkomfort von Webmail-Angeboten entscheidend verbessert. Umso wichtiger erscheint es Mozilla daher, den zur Nutzung dieser Dienste notwendigen eigenen Browser als echte Alternative zum Internet Explorer unter die Leute zu bringen.
"In der Auseinandersetzung mit dem Internet Explorer steht enorm viel auf dem Spiel. Immerhin geht es um das offene Web, das unabhängig vom verwendeten Browser für jeden nutzbar sein muss. Da dürfen wir nicht versagen", meint Nitot. So hätten etwa auch Safari- und Opera-User vom Erfolg des Firefox profitiert, da auf die Interoperabilität von Webseiten heute wieder viel mehr Wert gelegt werde als noch vor wenigen Jahren. Ein offener E-Mail-Client sei zwar wichtig. In Bezug auf die interoperable Nutzung habe es mit der E-Mail-Zustellung aber nie vergleichbare Probleme gegeben, sagt Nitot: "E-Mail funktioniert einfach, unabhängig vom verwendeten Betriebssystem oder der Applikation."
Dass Thunderbird eine Zukunft haben soll, ist für den Mozilla-Europe-Präsidenten unbestritten. Gerade im Bereich "Enterprises" werde eine moderne, offene E-Mail-Lösung mit Organisations- und Kalenderfunktionen als Outlook-Alternative gewünscht. "Der Markt ist da und man kann damit sicher auch Geld machen. Dadurch, dass Mozilla aber auf Privatkonsumenten abzielt und keine Verkaufs-Ressourcen aufweist, ist diese Option unter der jetzigen Mozilla-Organisation nicht vorstellbar", meint Nitot gegenüber pressetext. Wohin die Reise gehe und in welcher Form Mozilla dem Projekt verbunden bleibe, stehe noch in den Sternen. Eines sei aber klar: "Wir brauchen eine führende Persönlichkeit an der Spitze von Thunderbird, die eine Vision für den Mail-Client entwickelt. Dies hat bisher einfach gefehlt."