Dresden - Die Entsorgung von angeschwemmtem Seegras verursacht bei den Gemeinden bisher hohe Kosten. Nun haben Wissenschaftler der TU-Dresden http://www.tu-dresden.de eine Möglichkeit gefunden, den Abfall als wertvollem Rohstoff zu nutzen. Das gereinigte und getrocknete Seegras, von dem allein in Mecklenburg-Vorpommern und Ostholstein jährlich 63.000 Tonnen anfallen, eignet sich zur Verarbeitung von Dämmplatten.
"Für viele Gemeinden in Mecklenburg-Vorpommern ist das anfallende Seegras bisher nur ein Kostenfaktor, denn das Aufbringen auf die Felder ist inzwischen verboten. Aufgrund des hohen Salzgehalts kann es auch nicht als Brennstoff verwendet werden", erklärt Holger Unbehauen, der gemeinsam mit Sören Tech am Institut für Holz- und Papiertechnik der TU-Dresden das Projekt leitete, gegenüber pressetext. "Wir haben mithilfe einer Pilotanlage zeigen können, dass die Pflanzenreste sich nach der Reinigung und Trocknung zur Weiterverarbeitung eignen."
Tech trug die Idee zur stofflichen Nutzung von Seegras schon eine Weile mit sich herum und wandte sich vor sieben Jahren an die Ostseegemeinde "Am Klützer Winkel", um zu fragen, ob man nicht testen wolle, ob sich das angeschwemmte Biomaterial eventuell als Bau- und Dämmstoff eigne. "Ein EU-Projekt mit neun Partnern aus fünf Ländern wurde ins Leben gerufen, das sich verschiedenen Teilaspekten des Problems gesondert widmete", führt Unbehauen im pressetext-Interview aus. "Wir beschäftigten uns vor allem mit der Frage, welche Materialeigenschaften bei verschiedenen Mischungsverhältnissen am besten zum Tragen kommen, und wie der Faserrohstoff in bestehende Produkte und Anlagen integriert werden könnte." Dabei zeigte sich, dass das Seegras einige Eigenschaften aufweise, die günstiger sind als Holz- oder Strohplatten. "Mitteldichten Faserplatten kann Seegras beigemischt werden und so andere, wertvollere Rohstoffe ersetzen. Aber auch in Biogasanlagen kann der Rohstoff verarbeitet werden."
"Die größten Probleme waren die kostengünstige Aufnahmetechnik des Seegrases vom Strand sowie die anschließende Reinigung und Trocknung", erklärt Unbehauen. In einer Pilotanlage habe sich die Luftstromtrocknung als günstig erwiesen. Eine Marktstudie habe nachgewiesen, dass das Material für mittelgroße regionale Dämmstoffproduzenten trotz der relativen Unberechenbarkeit des "Erntezeitpunkts" attraktiv sein könne. Darüber hinaus denken die Dresdener Forscher daran, den weltweit steigenden Bedarf an Rohstoffen durch die Nutzung von nachwachsenden Rohstoffquellen aus See- und Binnengewässern mit ähnlichen Zielstellungen anzugehen. "Wenn man vernünftige Erntetechnologien direkt aus dem Wasser entwickeln würde, hätte man Seegras in hoher Qualität, das andere nachwachsende Rohstoffe ergänzen könnte."
Nicht nur für die Baustoffindustrie hat das Schwemmgut aus dem Ozean etwas zu bieten: Forscher der Universität Bordeaux haben entdeckt, dass das Seegras einen extrem hohen Anteil an Rosmarinsäure hat. Diese Substanz hat antivirale, antibakterielle und antiinflammatorische Eigenschaften. "Im Becken von Arcachon fallen jährlich zwischen 30.000 und 44.000 Tonnen Seegras an", erklärt der Experte. An der französischen Universität Montpellier haben Wissenschaftler herausgefunden, dass Seegras wegen des hohen Eisengehalts auch ein wertvoller Dünger ist. "In Zukunft ist die Verwertung von Seegras, das traditionell auch als Füllstoff für Matratzen oder Sofas diente, eher auf hochwertige Weiterverarbeitung gerichtet", erklärt Unbehagen abschließend.