Ancona/Washington/Wien - Sonnencremes gefährden Korallenriffe. Zu diesem Schluss kommen Meeresbiologen der Polytechnischen Universität von Ancona im Wissenschaftsmagazin Environmental Health Perspectives. Die chemischen Substanzen, die UV-Licht filtern, aktivieren in den mit den Korallen symbiotisch lebenden Algen virale Infektionen. Schon in vorangegangenen Studien haben Forscher festgestellt, dass Abwässer zu schweren Schäden in Korallenriffen führen können.
Manager von Tourismus-Resorts in Mexiko ist aufgefallen, dass abgeschlossene Meerespools vor der Halbinsel Yucatan, an denen Touristen häufig zum Schwimmen gegangen waren, Veränderungen in der Fauna aufwiesen. "Dort stellten wir eine hohe Mortalität aller Lebewesen fest", erklärt der Meeresbiologe Roberto Danovaro von der Universita Polytecnica delle Marche http://www.univpm.it . Einige der Ferienresorts reagierten darauf und riefen Unterwassersportler dazu auf, auf Sonnencremes zu verzichten.
Um auf Nummer sicher zu gehen, haben die Wissenschaftler begonnen, Korallen auf deren Empfindlichkeit zu testen. Dazu wurden in Proben aus der Karibik, dem Indischen Ozean vor Thailand, dem Roten Meer vor Ägypten und dem Pazifik vor Indonesien gesammelt. Die Ergebnisse waren erschreckend: Nur zehn Mikroliter Sonnencreme auf einem Liter Meerwasser haben dazu geführt, dass die Korallenbleiche innerhalb von nur vier Tagen einsetzte. Jene Korallen, die in reinem Meerwasser lebten, zeigten keine Veränderungen.
Jene Wasserproben, die mit Sonnencreme verunreinigt waren, wiesen nach 18 bis 48 Stunden freischwimmende symbiotische Algen auf, die die Korallenstöcke verlassen hatten. Statt der gesunden bräunlich-grünen Farbe waren die Korallenstücke bleich oder transparent. Zudem haben die Forscher auch zahlreiche Spuren einer Infektion ausmachen können, was deutlich darauf hinweist, dass Bestandteile der Sonnencremes die Infektion verursacht haben. "Das Überraschende an den weltweiten Proben war, dass die gleiche latente Infektion in vielen der Korallenproben sichtbar wurden", so Danovaro. Als problematische Substanzen haben die Wissenschaftler Cinnamate - das sind Salze und Esther der Zimtsäure, ein Benzophenon und ein Kampferderivat sowie das Konservierungsmittel Paraben ausgemacht.
Dass Viren mit der gefürchteten Korallenbleiche in Zusammenhang stehen, ist für den Meeresbiologen William Wilson vom Bigelow Laboratory for Ocean Sciences in Boothbay http://www.bigelow.org im Bundesstaat Maine klar. "Korallenbleiche tritt auf, wenn die Korallen unter Stress stehen", so der Forscher. "Wir werden uns darauf einstellen müssen, dass die Zahl der Korallenriffe unter den gegebenen Umständen deutlich abnehmen wird", meint auch der Wiener Meeresbiologe Jörg Ott von der Universität Wien http://www.univie.ac.at/marine-biology im pressetext-Interview. Dabei könne es sein, dass sie auf ein Zehntel ihres einstigen Bestandes zurückgehen, meint Ott.
"Wenn die dünne Haut der lebenden Substanz von Korallen zerstört ist, geht die weitere Zerstörung eines Riffes schnell vor sich", erklärt der Wissenschaftler. Es gebe aber Berichte, wonach sich einige der Korallenriffe sich in den vergangenen Jahren wieder erholt hätten. "Ein Negativ-Faktor ist allerdings die Übersäuerung der Ozeane, denn diese erschwert es kalkhaltigen Lebewesen wie Korallen oder Muscheln Kalk zu bilden." Die Versauerung sei definitiv auf eine Erhöhung des CO2 zurückzuführen. "Durch diese Tatsache werden die Korallen quasi in einen Zangenangriff genommen: Einerseits wollen ihre Symbionten das wärmere Wasser nicht, andererseits erschwert die Übersäuerung die Bildung von Kalk", erklärt Ott abschließend im pressetext-Interview.