Wien/Barcelona - Mit Fremdsprachen haben viele Menschen ihre liebe Not, während sich andere gleich mehrere Sprachen aneignen - scheinbar mühelos und fehlerfrei. Entscheidend darüber könnte das sprachliche Hörverständnis sein, haben spanische Gehirnforscher herausgefunden. Tests zeigten, dass erfolgreiche Fremdsprachenlerner den erfolglosen auch bei der Unterscheidung von Lauten der Muttersprache überlegen sind. Die Ergebnisse der Untersuchung wurden im Wissenschaftsmagazin Proceedings of the National Acacemy of Sciences http://www.pnas.org veröffentlicht. Hans-Jürgen Krumm vom Institut für Germanistik der Universität Wien http://www.univie.ac.at sieht durch diese Ergebnisse den bisherigen Weg der Sprachererwerbsforschung bestätigt. "Wer die Muttersprache gut beherrscht, hat viel bessere Karten beim Erlernen einer Fremdsprache", so der Professor für Deutsch als Fremdsprache im pressetext-Interview.
"Das Ohr ist die primäre Quelle für sprachlichen Input", erklärt Krumm. Sprachhören und Lautverständnis werden vor allem durch sprachliche Interaktionen in der Erstsprache geschult. "Das Gehirn entwickelt beim Erlernen der Muttersprache Raster, die beim Fremdsprachenerwerb gebraucht werden". Eine gefestigte Erstsprache in der man Hören, Lesen und Schreiben kann, sei daher Grundvoraussetzung für den Erfolg in der zweiten oder weiteren Sprache. Folgen hätte dies laut Krumm etwa für die Deutschvermittlung an Migranten. "Türkische Kinder täten sich in Deutsch viel leichter, wenn sie zuerst gut Türkisch lernen." Jedoch führt Krumm auch das Fremdsprachendefizit vieler deutschsprachiger Kinder auf fehlende Deutschkenntnisse zurück.
Die spanischen Forscher kamen zu ihren Ergebnis, indem sie die Fähigkeit der Lautunterscheidung von Studenten untersuchten. Als Testpersonen wählten sie diejenigen aus, die in der Region Barcelona in Familien aufgewachsen waren, in denen nur Spanisch gesprochen wird. Trotz eines zweisprachigen Umfelds hatten sie ihre zweite Landessprache Katalanisch erst in der Volksschule erlernt. Aus 126 Studenten, die diese Voraussetzungen erfüllten, selektierten die Forscher die 31 Personen, die Katalanisch am besten bzw. am schlechtesten beherrschten. Katalanisch enthält mehrere Vokale, die für spanische Muttersprachler als schwierig gelten.
Mittels Elektroresonanz wurde getestet, wie gut die beiden Gruppen der guten und schlechten Katalanischsprechenden jeweils aus unterschiedlichen Tonbeispielen Lautunterschiede erkennen konnten. Die akustischen Signale waren Vokale von verschiedener Länge und Zusammensetzung: zuerst in der Muttersprache Spanisch, dann in der allen Teilnehmern unbekannten Fremdsprache Finnisch. Gemessen wurde die elektrophysische Reaktion des Gehirns auf verschiedene Lautarten, der in einem Wellenausschlag veranschaulicht wurde. Da der Ausschlag der Fähigkeit entsprach, akustische Wechsel festzustellen, ließen verschiedene Ergebnisse unter den beiden Gruppen Rückschlüsse auf unterschiedlich verlaufende akustische Hörvorgange zu.
Die Fähigkeit zur Lautunterscheidung bei spanischen Tonbeispielen war bedeutend besser bei den Personen, die Katalanisch als Zweitsprache gut beherrschten. Hingegen machten beide Gruppen bei der allen unbekannten Fremdsprache Finnisch gleich viele Fehler. Für Forschungsleiterin Begoña Díaz steht damit fest: "Die Fähigkeit der Unterscheidung von speziellen Phonemen der Muttersprache ist ein entscheidender Faktor im Lernprozess und in der Fähigkeit, andere Sprachen zu beherrschen". Diese Erkenntnis sei für die Vorhersage nützlich, wie sehr jeder einzelne für Fremdsprachen geeignet sei, und könne Programmen für einen besseren Fremdsprachenlernerfolg als Grundlage dienen.