Der norwegische Energieversorger Statkraft will bei der Erzeugung von "sauberem" Strom in Zukunft neue Wege einschlagen.
Der Konzern, weltweit der sechstgrößte Betreiber von Wasserkraftwerken, hat dazu ein Verfahren entwickelt, das sich einen chemisch-pysikalischen Prozess zunutze macht, der in der Natur fast allgegenwärtig ist: Osmose.
Die Idee: Vom Blatt zum Kraftwerk
Der Fachterminus beschreibt nichts anderes als den Fluss von Molekülen durch (teilweise) durchlässige Membranen. Für lebende Zellen ist er zur Regulierung des Flüssigkeitshaushalts nötig, Blätter können derart etwa Feuchtigkeit aufnehmen und speichern. An den Küsten Norwegens könnte nun der Prozess genauso gut zur Gewinnung von elektrischer Energie dienen, so die ursprüngliche Idee der Statkraft-Entwickler.
Erster Prototyp in Bau
Deren Realisierung brauchte zehn Jahre Foschungsarbeit, doch nun begann der Bau des weltweit ersten Prototypen eines Osmosekraftwerks auf dem Gelände einer Papierfabrik im norwegischen Oslofjord, berichete kürzlich die "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" ("F.A.Z.").
Der Standort wurde deshalb gewählt, weil in dem Fjord ein Fluss ins Meer mündet und dort folglich Süß- und Salzwasser gleichermaßen vorhanden sind - die Voraussetzung für die Energiegewinnung nach diesem Verfahren.
Strömung erzeugt Druck
Das beruht laut der Projektbeschreibung des Konzerns auf dem Prinzip, dass Süß- und Salzwassermoleküle die Tendenz haben, sich zu vermischen. In dem Kraftwerk werden dazu Süß- und Salzwasser in Becken geleitet, in denen sie mittels einer nur einseitig durchlässigen Membran getrennt sind.
In weiterer Folge strömt Süßwasser in Richtung des Salzwassers, von dem es gleichsam "angezogen" wird, damit sich die Salzkonzentration ausgleicht. Der Effekt: Der Druck auf der Seite des Salzwassers steigt und soll in dem neuartigen Kraftwerk dazu in der Lage sein, Turbinen anzutreiben.
Kraft wie ein Wasserfall
"Wenn Süßwasser auf Salzwasser trifft, etwa wo ein Fluss in das Meer mündet, werden enorme Mengen an Energie freigesetzt", heißt es in der Beschreibung des Projekts. "Diese Energie kann dazu benutzt werden, Strom durch das natürliche Phänomen der Osmose zu erzeugen."
Laut dem Unternehmen entspricht die Kraft, die auf die Turbinen wirkt, der eines Wasserfalls - und erzeugt rund 10,9 Bar Druck. Bis 2015 soll das Verfahren marktreif sein. Die Entwicklung, an der das Forschungsinstitut SINTEF maßgeblich beteiligt war, kostete über 15 Mio. Euro. Am Ende verspricht sich das Unternehmen eine Deckung von bis zu zehn Prozent des norwegischen Stromverbrauchs aus Osmoseenergie.
Konzern sieht nur Vorteile
Weltweit schätzt man das Potenzial entsprechend groß ein. "Rund um die Welt münden Flüsse in Städten und Industriegebieten ins Meer", heißt es. Überall dort könne man Osmosekraftwerke errichten - auch unterirdisch.
Für den Konzern liegen jedoch noch weitere Vorteile des Verfahrens auf der Hand: Anders als Solarkollektoren und Windräder liefere Osmose Energie unabhängig von der Tages- und Jahreszeit.
Wasser nimmt nur "Umweg"
Außerdem sei die Umweltbelastung gleich null, argumentiert das Unternehmen. Das Wasser mische sich an der Küste ohnedies, für das Kraftwerk nehme es lediglich einen "Umweg" über Sammelbecken und werde allein mittels Filtern von gröberem Schmutz gesäubert.
Laut "F.A.Z." versorgt Statkraft heute mit rund 2.000 Mitarbeitern 20 Prozent der norwegischen Haushalte mit Energie und betreibt allein 141 Wasserkraftwerke. Der Konzern selbst zählt sich zu den "europäischen Marktführern im Bereich erneuerbare Energien".