Potsdam - Die Risiken der negativen Auswirkungen des Klimawandels auf Mensch und Natur müssen heute höher eingeschätzt werden als noch vor einigen Jahren. Zu dieser Schlussfolgerung kommt ein internationales Forscherteam, dem auch Hans-Martin Füssel vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung PIK http://www.pik-potsdam.de angehört. In einem nun erschienenen Artikel im Fachmagazin "Proceedings of the National Academy of Sciences" (PNAS) kommt das Expertenteam zum Schluss, dass die Risiken bereits bei einer geringen weiteren Erwärmung über das Niveau von 1990 deutlich zunehmen.
Füssel erklärt gegenüber pressetext, dass viele Ökosysteme, wie etwa tropische Korallenriffe, empfindlicher auf die globale Erwärmung und den Anstieg der CO2-Konzentration reagieren als noch im dritten Sachstandsbericht des IPCC von 2001 angenommen wurde. "Wir haben drei wesentliche Informationsquellen", erklärt Füssel. Zum Einen sind es Messungen von Temperaturen, Eisdichten, Schmelzvorgänge von Gletschern, Eisschilden und dem Meereis, aber auch Beobachtungen von Veränderungen in Ökosystemen. Zum Anderen sind es Analysen von vorhandenen Daten, die Aufschluss darüber geben, wie stark der menschliche Einfluss zur beobachteten Veränderung beiträgt. "Einschlägige Studien zeigen zum Beispiel, dass die Hitzewelle 2003 ohne menschliches Zutun kaum erklärbar ist", so Füssel. "Die dritte Informationsquelle sind die wesentlich verbesserten Modellrechnungen, die mehr Prozesse berücksichtigen als jene von 2001." Diese Modellrechnungen zeigen, dass sich Wetterextreme stärker verändern werden als klimatische Mittelwerte, da auch die Variabilität des Klimas zunimmt.
Der Treibhausgas-Ausstoß und der beobachtete globale Temperaturanstieg in den vergangenen Jahren liegen im oberen Bereich der Prognosen des IPCC. "Wenn die damit verbundenen Risiken höher zu bewerten sind, ist auch die Dringlichkeit größer, den Treibhausgas-Ausstoß zu verringern und besonders betroffene Regionen bei der Bewältigung der nicht mehr vermeidbaren Folgen des Klimawandels zu unterstützen", folgert Füssel. Dies sei auch eine Frage der Gerechtigkeit, da viele der Länder mit dem geringsten Ausstoß von Treibhausgasen besonders stark vom Klimawandel betroffen sein werden.
Eine der fünf "begründeten Klimasorgen", die in dem PNAS-Artikel betrachtet werden, betreffe einzigartige Ökosysteme wie etwa Korallenriffe, polare und alpine Ökosysteme und tropische Regenwälder. "Viele Tier- und Pflanzenarten dort sind sehr spezialisiert und können sich an die Klimaänderung nicht schnell genug anpassen. Betroffen sind aber auch wir Menschen, insbesondere indigene Völker und die Bewohner von Inselstaaten", führt Füssel aus. "Das Risiko extremer Wetterereignisse wie Hitzewellen, Überschwemmungen, Dürren oder tropischen Wirbelstürmen nimmt in vielen Weltregionen ebenfalls deutlich zu."
Der Treibhausgas-Ausstoß könnte das Klimasystem der Erde über kritische Grenzen hinaus belasten, sodass wichtige Prozesse im Gesamtgefüge "kippen" und von da an grundsätzlich anders ablaufen, warnen die Forscher. Beispiele sind das Abschmelzen des Grönländischen Eisschildes, eine großflächige Versteppung des Amazonas-Regenwaldes oder die Schwächung des Nordatlantikstromes. Die Studienautoren um Joel Smith von Stratus Consulting und Stephen Schneider von der Stanford University in Kalifornien stützen sich auf Beobachtungen bereits eintretender Folgen der globalen Erwärmung und auf das verbesserte Verständnis wichtiger Prozesse des Klimasystems. Drei der Verfasser des aktuellen Artikels sind auch maßgebliche Autoren des Kapitels des IPCC-Berichts von 2001, in dem die fünf begründeten Klimasorgen erstmals beschrieben wurden.