Tunis - Die Quechua-Indianer von Peru verfügen über die weltgrößte Sammlung von Kartoffelsorten und könnten damit die Kartoffelbestände der ganzen Welt retten. Zu diesem Schluss kommt ein Bericht in der Online-Ausgabe des Wissenschaftsmagazins New Scientist. Die indigene Bevölkerung des südamerikanischen Staates leistet im nun gegründeten globalen Fonds im Rahmen des internationalen Vertrags über pflanzengenetische Ressourcen für Ernährung und Landwirtschaft http://www.planttreaty.org zur Erhaltung der Kulturpflanzen einen wesentlichen Beitrag. Danach sollen die armen Bauern zu den Wächtern der traditionellen und weltweit gefährdeten Kulturpflanzen werden. Dafür erhalten sie aus dem Fonds finanzielle Mittel.
Seit Jahrhunderten pflegen die Quechuas ihre Kartoffelvarietäten, die an die Temperaturen in verschiedenen Höhenlagen und Klimate angepasst sind. Wenn der Kartoffelanbau in verschiedenen Regionen der Erde versagen sollte, gibt es in Peru die Möglichkeit, eine oder mehrere dieser Kartoffelsorten zu holen und sie weiterzuzüchten. Diese Rückversicherung ist das Ziel des Fonds. Ein weiteres Ziel ist es, die bisher vernachlässigten oder nur selten verwendeten Nahrungspflanzen für die Nachwelt zu erhalten.
Das internationale Vertragswerk, das bereits 2001 beschlossen wurde, aber erst zwei Jahre später in Kraft trat, war immer wieder Anlass zu Streitigkeiten unter den 120 Vertragspartnerstaaten. Uneinig war man sich in erster Linie darüber, wer wieviel in den Fonds einzahlen sollte. Anfang Juni haben sich die reichen Staaten bei einer Konferenz in Tunis darüber geeinigt, den 116 Mio.-Dollar Benefit-Sharing-Fund, der unter anderem auch das Kartoffelprojekt in Peru unterstützt, in einem Fünf-Jahres-Plan zu finanzieren. Konkret werden jene Projekte gefördert, die Bauern dazu animieren, traditionelle Sorten anzupflanzen anstatt auf profitablere kommerzielle umzusteigen.
"Die Idee ist, möglichst viele Variationen für die Sicherstellung der Ernährung zu haben wie nur irgendwie möglich", meint Bernt Visser vom niederländischen Zentrum für genetische Ressourcen in Wageningen http://www.cgn.wur.nl . Der Schwerpunkt liege auf kleinen bäuerlichen Betrieben. "In Peru geht es darum, früh genug auf den Klimawandel mit höheren Temperaturen und Veränderungen der Niederschläge zu reagieren." Ein Teil des Vertrages habe auch die Schaffung der mittlerweile größten Pflanzengenbank in Spitzbergen geführt, in der rund 1,1 Mio. Proben lagern. "Der neue Fonds will nun auch jenen Pflanzensorten Rechnung tragen, die nur durch jährliches Anbauen erhalten werden können." Norwegen, Spanien, Italien und die Schweiz haben bereits je 500.000 Dollar an den Fonds bezahlt, mit denen elf Projekte gefördert werden.
"Genbanken sind immer nur eine Notlösung, keine Perspektive", meint Peter Zipser, Obmann der Arche Noah http://www.arche-noah.at , der Gesellschaft für die Erhaltung der Kulturpflanzenvielfalt und ihrer Entwicklung, im pressetext-Interview. Die Arche Noah hat mit mehr als 6.500 Spezies die größte Gemüsesammlung Europas. "Prinzipiell ist es natürlich etwas Gutes, gefährdete Arten zu sichern", so Zipser. Allerdings sei dies nur die zweitbeste Lösung. "Pflanzen müssen in die Natur, denn nur dort behalten sie den Bezug zum Menschen und zur Umwelt." Das sei sowohl bei Nutzpflanzen als auch bei anderen Gewächsen notwendig. Ein anderes Problem der großen Genbanken sei ihre eigene Sicherheit: Aufgrund des Zusammenbruchs der Sowjetunion ist die größte Sammlung an Pflanzen zu einer Rumpfsammlung verkommen. "Die finanziellen Aufwendungen einer Genbank sind hoch und daher spielt die Finanzierung eine große Rolle." Zipser steht auch Private-Public-Ownership-Modellen von Genbanken skeptisch gegenüber. "Denn hier sind der Biopiraterie großer Saatguthersteller Tür und Tor geöffnet."