London/Washington DC - Ein weltweites Team von Experten und Laien arbeitet derzeit an der Schaffung des größten Beobachtungssystems der Erde, das für jeden frei und offen im Internet zugänglich sein wird. Innerhalb eines Jahrzehnts soll dieser High-Tech-Feldführer von Satellitenbildern bis hin zur einzelnen Zelle Aufschluss über die Artenvielfalt liefern. Damit soll die Bedeutung der Biodiversität für das Überleben weiter unterstrichen werden. Nun treffen sich in London rund 400 Wissenschaftler aus 50 Ländern zur ersten e-Biosphären-Konferenz http://www.e-biosphere09.org , die sich über die Vorgehensweise des Großprojekts weiter beraten.
"Wir liefern sozusagen eine virtuelle Beobachtung der Artenvielfalt auf der Erde, in der Umweltveränderungen, Daten zu Arten, Resultate von Versuchen und Modellierung in allen Bereichen der Biodiversität von den Genen bis zum gesamten Ökosystem gezeigt werden können", meint Jim Edwards, Executive Director der Enzyklopädie des Lebens am Smithsonian Institute in Washington DC, gegenüber pressetext. Edwards, der die Londoner Konferenz organisiert, betont die Bedeutung der für alle offen zugänglichen Datenbank. "Das System des globalen Netzwerks des Lebens wird wie ein großer Schneeball funktionieren, der einen Hügel hinunterrollt und immer größer wird", meint David Schindel vom Consortium für den Barcode des Lebens CBOL gegenüber pressetext. "Profitieren sollen davon alle, vom Experten bis hin zum Laien, der in seinem Garten oder beim Ausflug ein neues Lebewesen entdeckt und ein Bild davon weiterschickt", so der Forscher. "Ein großer Vorteil eines solchen offenen Systems ist, dass Veränderungen durch den Klimawandel oder der Besiedelung von Lebensräumen dann in ganz anderer Art und Weise nachvollziehbar gemacht werden."
Intensiv mit der Schaffung von automatisierten Spezies-Identifikationssystemen beschäftigt ist Norman MacLeod vom Natural History Museum http://www.nhm.ac.uk in London. "In Zukunft werden diese Systeme so arbeiten, dass eingeschickte Bilder unmittelbar dazu führen, die Art genau bestimmen zu können." Um solche automatisierte Identifikationssysteme zu entwickeln, sind schon im Vorfeld Abbildungen nötig. "Daher brauchen wir Beobachtungen von Bürgern, die sich für die Umwelt interessieren: Sie erst geben den Wissenschaftlern die Möglichkeit, die Artenvielfalt der Erde in einem globalen Umfeld zu betrachten." Das Online-Informationssystem für die Erde, das derzeit im Entstehen ist, wird aber auch noch andere Disziplinen berücksichtigen. "Dazu gehören etwa Erdbebenbeobachtung oder meteorologische Netzwerke, die wiederum Aufschlüsse über Veränderungen liefern", so David Schindel. Dadurch werden Daten, die bisher von verschiedenen Disziplinen erhoben wurden, erstmals zusammengefasst.
Die Enzyklopädie des Lebens http://www.eol.org arbeitet beispielsweise mit der Bilddatenbank Flickr zusammen. Mehr als 25.000 Naturbilder stehen der Datenbank daher zur Verfügung. "Erst vor kurzem erst haben Taucher aus der Karibik das Bild einer Qualle übermittelt, die bisher nicht bekannt war", so Edwards. Die Bedeutung der Informationssammlung hat auf zahlreiche andere Disziplinen Auswirkungen. "Dazu gehört etwa der bilaterale Handel und die Biosicherheit, die durch eingeschleppte Arten gefährdet ist. Ein weiteres Anwendungsgebiet ist aber auch die Landwirtschaft und die weltweite Fischerei, die etwa Informationen über trockenresistente Nutzpflanzen oder Beifangquoten der Hochseefischerei informiert wird. Auch die Humanmedizin soll von der Datenbank profitieren."