Groningen - Stickstoffdünger und Waschmittel sind bekannt dafür, dass sie das Algenwachstum fördern. Einer aktuellen Studie zufolge spielt aber auch Überfischung - vor allem von Raubfischen - eine Schlüsselrolle. Das Forscherteam um Britas Klemens Eriksson von der Universität Groningen http://www.rug.nl hat in langjährigen Untersuchungen mit dem schwedischen Fishery Board in der Ostsee festgestellt, welche Folgen das Verschwinden der Raubfische auf das Ökosystem hat.
"Wir haben uns zwei Raubfisch-Populationen, Hecht und Barsch, in neun Brackwasser-Gebieten an der Ostseeküste genau angesehen und mit den Populationen kleinerer Fische und Algenblüten verglichen", so Eriksson im pressetext-Interview. "Das Ergebnis war erstaunlich." In den Gebieten, in denen die Zahl der Raubfische stark rückgängig war, war die Zahl der kleineren Fische und der Algen sehr hoch. "In Regionen, in denen das Gleichgewicht intakt war, lag die Wahrscheinlichkeit einer Algenblüte bei nur zehn Prozent."
Ökologisches Gleichgewicht verhindert Algenblüten
Die Erkenntnisse an der Ostseeküste hat das Forscherteam veranlasst, kleine Feldversuche in unverschmutzten Gewässern zu starten. Zwei Jahre lang haben die Wissenschaftler verschiedene Szenarien nachgestellt. Dazu wurden Stickstoffpellets eingebracht, die Zahl der Raubfische erhöht und dann reduziert. Einige Gebiete wurden im natürlichen Zustand belassen. "Wie erwartet hat der Stickstoffeintrag das Algenwachstum angetrieben", so Eriksson.
"Überraschenderweise hat die Abwesenheit von Raubfischen die Ausbreitung der Algen noch weiter angeheizt. Selbst wenn kein weiterer Stickstoff zugeführt wurde, konnte man das feststellen", so der Biologe. "Da Raubfische kleinere Fische fressen, die sich wiederum von Pflanzenfressern wie Schnecken oder Krebsen ernähren, die Algen fressen, hat der Rückgang der Räuber dramatische Auswirkungen auf das gesamte Ökosystem." Die kleineren Fische vermehren sich wesentlich stärker und dezimieren damit die Lebewesen, die den Algenwuchs unter Kontrolle halten.
Ähnliche Phänomene auch in anderen Küstengebieten
Im Fachmagazin Ecological Applications schreiben die Forscher, dass nicht nur der hohe Stickstoffeintrag in Gewässer verringert werden soll, sondern auch mehr auf eine gesunde Fischpopulation geachtet werden muss, um einer Algenblüte entgegenzuwirken. "Man muss das gesamte Ökosystem betrachten und die Nahrungskette wieder herstellen", so der Wissenschaftler. Hauptverursacher der Algenblüten bleibe allerdings der hohe Stickstoffeintrag.
Auf die Frage, ob die aktuellen Forschungsergebnisse auch auf Küstenregionen anderer Meere zutreffen, meint Eriksson, dass weitere Studien - etwa im Schwarzen Meer - ein ähnliches Bild ergeben. "Deutlich wird dabei, wie empfindlich marine Ökosysteme auf Veränderungen reagieren", so Eriksson.