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Umwelt/Gesundheit/Bildung/Forschung | Überregional
Eishöhlen der Alpen sind Klimaarchive

Entstehung der Eismasse noch immer offenes Rätsel


Eishöhlen: Terra incognita der Wissenschaft im Herzen Europas (Foto: TU Wien)

Wien/Innsbruck - Die großen Eishöhlen der Alpen sind seit kurzem wieder für die Wissenschaft interessant. Ihre Eiskerne funktionieren wie ein Archiv, ist einem Beitrag der Zeitschrift "Science" zu entnehmen. Eis dokumentiert Temperaturänderungen, Regen oder andere Klimadaten wie etwa CO2-Gehalte vergangener Jahrhunderte. Höhleneis sei zwar schwer zu interpretieren, seine Erforschung zahle sich jedoch aus, da es - im Gegensatz zu Polareis - Einblicke in die Vergangenheit dicht besiedelter Gebiete gibt.

Renaissance der Höhlenforschung

Eis zieht Klimaforscher schon immer wie magisch an. "Das Grönlandeis erlaubt Rückschlüsse auf die Zeit bis vor 120.000 Jahre, das Eis der Antarktis auf bis zu einer Mio. Jahre. In den Alpen untersuchte man bisher vor allem das Gletschereis. Über das Höhleneis, das einige tausend Jahre alt sein kann, haben die Forscher jedoch immer einen großen Bogen gemacht", berichtet der Geologe Christoph Spötl von der Universität Innsbruck http://www.uibk.ac.at/geologie im pressetext-Interview.

Nach 50 Jahre Pause kommt die Eishöhlenforschung nun wieder in Schwung. Das wissenschaftliche Instrumentarium hat sich erheblich verbessert, zudem drängt die Zeit: Parallel zur Gletscherschmelze geht die Eismenge vieler Eishöhlen seit dem 19. Jahrhundert nachweislich zurück. "Da die größten Eishöhlen in den Alpen liegen - die Werfener Eisriesenwelt und die Dachstein-Rieseneishöhle - ist es uns besonderer Anreiz zu prüfen, welche Informationen aus diesem Eis gewonnen werden können", so Spötl, der auch Präsident des Verbandes österreichischer Höhlenforscher http://www.hoehle.org ist.

Atombomben helfen bei Datierung

Gründe für das lange Zögern der Wissenschaft gibt es mehrere. Einerseits bestand lange kein Zugang zu den Höhlen. "Die ersten Eishöhlen wurden erst vor 100 Jahren entdeckt. Doch auch heute sind von den insgesamt rund 900 derartigen Höhlen in den Alpen nur rund ein Dutzend gut zugänglich", berichtet der Geophysiker Michael Behm von der TU Wien http://info.tuwien.ac.at/geodaesie gegenüber pressetext. Zudem hängt es vom Verhandlungsgeschick der Forscher ab, ob sie von den Schauhöhlenbetreibern freie Hand zum Messen und Bohren bekommen.

Ein zweites Hindernis ist die schwierige Datierung des Eises. "Besonders das tieferliegende Eis widersteht fast allen Datierungsversuchen", betont Spötl. Bei sehr jungen Eisschichten greift man auf das Wasserstoff-Isotop Tritium zurück, das die Atombombenversuche der 60er-Jahre hinterließen. Bei allem, was älter ist, suchen die Forscher fieberhaft nach organischen Einschlüssen. "Das sind die berühmten Spinnenbeine oder Grashalme, die man mit Radiokohlenstoff datieren kann. Die Ausbeute ist jedoch gleich Null."

Wissensstand von Aliens

Glück bei dieser Suche hatten Eishöhlenforscher bisher nur in den rumänischen Karpaten. Im Höhleneis des Alpenraums sind selbst Pollen, auf die sich Klimaforscher oft stützen (pressetext berichtete: http://pressetext.com/news/091016032/ ) eine Rarität. Für reine Klimaforschung eignen sich Höhlen somit kaum, schließt der Innsbrucker Forscher. "Hier greift man weiterhin eher zu Gletschern, Tropfsteinen, Seensedimenten oder für die jüngste Vergangenheit zu historischen Dokumenten wie etwa Aufzeichnungen über Weinernte oder Nachtfrösten."

Interessant sind jedoch auch die grundlegendsten Fragen, also etwa wie sich Eis in Höhlen bildet und abbaut. "Wir gleichen in diesem Punkt Aliens, die auf der Erde landen und einfachste Prozesse noch nicht verstehen", gibt Spötl zu. Auch über das mikrobiologische Leben in den Höhlen weiß man noch nichts. Derartige Forschungen kommen auch dem Tourismus zugute, werden doch die beiden größten Eishöhlen von jeweils bis zu 200.000 Menschen pro Jahr besucht. "Höhlenführer sollen wieder neue Informationen liefern können", so der Experte.

Science-Reportage unter http://lucaslaursen.com/clips/caveice.pdf

 

Quelle: Pressetext Austria, erschienen am 31.10.2010
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