Wien - Das "elektrische Schwein"
gibt es nun endlich auch in Österreich! Das von Wissenschaftlern der
Universität Stuttgart-Hohenheim in Deutschland entwickelte solare
Klärschlammtrocknungs-System entzieht dem Schlamm mit minimalem
Energieaufwand enorme Flüssigkeitsmengen. Als Ergebnis bleibt ein
durchgetrocknetes, krümeliges Restmaterial und als Brennstoff eingesetzt
werden kann. Der Wiener Firma ACAT (Applied Chemicals Anwendungstechnik)
ist es nun gelungen, in Zusammenarbeit mit dem deutschen Lieferanten
Thermo-Systems die erste solare Schlammtrocknung in Bramberg im Vorfeld
des Nationalparkes Hohe Tauern im Bundesland Salzburg in Betrieb zu
nehmen. Die offizielle Eröffnungsfeier findet am 19. Oktober 2001 statt.
Pressekonferenz zum Thema:
25. September, 10 Uhr
Cafe Landtmann, 1010 Wien
Baut Bramberg jetzt Gemüse in der Kläranlage an? Diese Frage haben sich
schon viele gestellt, weil dort eine gewächshausähnliche Glaskonstruktion
zu sehen ist. Doch dahinter verbirgt sich eine solare
Klärschlammtrocknung, in der das Wendeschweinpärchen "Bertha" und
"Gustav" im Klärschlamm wühlen....
Das "elektrische Schwein" ist die technische Finesse dieser Anlage zur
Klärschlammtrocknung, die effektiv und mit niedrigen Betriebskosten
arbeitet. Die österreichischen Kommunen stehen vor einer immer größer
werdenden Schlammlawine, wovon jedes Kilo behandelt, gelagert,
transportiert und letztendlich entsorgt werden muss. Die daraus
resultierenden Umwelt- u. Verkehrsbelastungen und nicht zuletzt die
finanziellen Belastungen für die Kläranlagenbetreiber sind erheblich. Das
entwickelte Verfahren bietet nun den Kommunen die Chance, aus der
Kostenfalle zu entkommen, da die sie von der Sonne die benötigte
Trocknungsenergie zum Nulltarif bekommen.
Seit etwa fünf Jahren funktioniert die solare Klärschlammtrocknung in
Deutschland in der Praxis. Dabei scheint die Methode eine echte
Alternative zu konventionellen Trocknungssystemen zu sein. Sie ist
umweltfreundlich und besonders für kleinere Städte und Gemeinden mit bis
zu 200.000 Einwohner gedacht. Der Schlamm, ob flüssig, mechanisch
entwässert oder ausgefault, kann auf bis zu 90% Trockenmasse
heruntergetrocknet werden.
Das geschieht in großen Hallen mit korrosionsbeständiger
Tragwerkkonstruktion aus verzinktem Stahl, die mit stabilen Glaselementen
umhüllt sind. Die solare Trocknungsanlage arbeitet auf niedrigem
Temperaturniveau: Die Wärme kommt von den Sonnenstrahlen, die durch die
transparente Hülle fallen, und wird vom dunklen Schlamm aufgenommen.
Durch eine ausgeklügelte Belüftung wird die feuchte und warme Luft nach
außen transportiert, welche frei von schädlichen Emissionen ist. Je nach
Wassergehalt wird der Klärschlamm bis zu 40 Zentimeter hoch
aufgeschichtet Anfangs wird dabei kräftig gelüftet.
Gegen Ende der Trocknung werden dagegen alle Luken verschlossen, damit
die Sonne den Klärschlamm noch einmal richtig aufheizen kann. Temperatur
und Luftfeuchtigkeit werden mit dem Computer ständig überwacht
Vollautomatisch geregelt kommt das "elektrische Schwein" zum Einsatz.
Dieser technische Leckerbissen, welcher von einem Mikroprozessor
gesteuert wird, sorgt dafür, dass die Trocknung den letzten Schliff
bekommt. Das Schwein durchpflügt und wendet den Schlamm und gewährleistet
dadurch eine gleichmäßige Trocknung auf der gesamten Fläche.
Je nach Datenlage wird es automatisch losgeschickt, um den Schlamm zu
umgraben. Es hat sechs Ultraschallsensoren, die rechtzeitig vor jedem
Hindernis warnen, damit es sich nicht den Rüssel an der etwa ein Meter
hohen Betonmauer am Rand der Halle platt drückt. Damit neben der Funktion
auch das Design stimmt, verpasste man ihm eine schicke Edelstahlhülle.
Die gesamte Trocknung dauert im Hochsommer zwei bis drei Wochen. Im
Winter kann es bis zu zwei Monaten dauern. Im Schnitt erreicht man aber
ein Trockensubstanzgehalt von ca. 70 Prozent - im Sommer mehr, im Winter
weniger.
"Die Anlage arbeitet nun schon vier Monate und ich bin mit deren
Effektivität sehr zufrieden" so der Betriebsleiter der Kläranlage Hr.
Freiberger. Seither hat sich die Bramberger Schlammtrocknungsanlage zu
einem wahren Besucher-Mekka entwickelt, zu dem interessierte Fachleute
und Delegationen aus dem In- und Ausland pilgern. "Manchmal wird das fast
ein bisserl zu viel", schmunzelt der Betriebsleiter nicht ohne Stolz.
Neben den geringeren Betriebskosten aufgrund der Nutzung kostenloser
Solarenergie stellt die Entsorgung des getrockneten Schlammes einen
weiteren Vorteil dar: Das trockene Material stinkt nicht mehr und kann
recht einfach auf alle zulässigen Verwertungspfade wie Rekultivierung
oder Verbrennung gebracht werden. "Entscheidet man sich für das
Verbrennen, so können sogar noch etliche Tonnen Kohle ersetzt werden", so
Prof. Mühlbauer beim Seminar der Umweltakademie.
Eine Trocknung des Klärschlammes bringt den Energiegehalt (Heizwert) in
den Bereich der Rohbraunkohle und sichert somit eine selbstgängige
Verbrennung ohne Zusatzbrennstoff. Prinzipiell bleiben somit alle
Entsorgungswege offen, was dem Betreiber Flexibilität bringt - und
letztendlich Kosten spart!
"Das Interesse der österreichischen Kommunenbetreiber für die solare
Klärschlammtechnik ist enorm groß und ich bin zuversichtlich, dass sich
immer mehr "elektrische Schweine" im Klärschlamm wälzen werden", so der
Geschäftsführer Ing. Manfred Zabl von Applied Chemicals in Wien.