Lissabon - Rund 2000 Fälle von
Schilddrüsenkrebs in der Ukraine werden mit der Katastrophe von
Tschernobyl vor 15 Jahren in Verbindung gebracht. Die Zahl steigt weiter
an. "Vier Jahre nach dem Unfall erreichte die Krebshäufigkeit bei
Kindern, die dem radioaktiven Niederschlag ausgesetzt waren, ihren
Höhepunkt", erklärte Dillwyn Williams vom Strangeways Research Laboratory
der Cambridge Uni http://www.srl.cam.ac.uk auf der European Cancer
Conference ECCO 11 http://www.fecs.be . Neue Fälle treten auch heute noch
bei jenen Ukrainern auf, die 1986 Kinder waren.
"Ein erhöhtes Risiko, Schilddrüsenkrebs zu entwickeln, bleibt nach einer
radioaktiven Bestrahlung lebenslang bestehen", erklärte Elaine Ron vom
US-National Cancer Institute http://www.nci.nih.gov . Es gebe einige
Anzeichen dafür, dass das Risiko 15 bis 19 Jahre nach dem Kontakt am
größten ist. Externe Strahlung ist die einzig fundiert begründete Ursache
für die Entwicklung von Schilddrüsenkrebs. Besonders Personen unter 20
Jahre haben nach Kontakt mit einem Jod-Isotop durch die radioaktive
Strahlung ein erhöhtes Krebsrisiko. Schätzungen zufolge sind nach dem
Unfall des Tschernobyl-Reaktor-4 Xenon-Gase zur Gänze, die Hälfte des
radioaktiven Jods sowie des Cäsiums ausgeströmt. Der Anteil des
restlichen radioaktiven Materials betrug rund drei bis fünf Prozent.
"Jod-Isotope geben eine rund 1.000 Mal höhere Dosis an die Schilddrüse ab
als an den Rest des Körpers", betonte Williams. Dass vor allem Kinder
empfindlich sind, begründet Williams mit einer Kombination der höheren
Dosis und dem Schilddrüsenwachstum. Im Erwachsenenalter sei das Wachstum
stark reduziert. "Die Auswirkungen der Tschernobyl-Katastrophe und der
Explosion der Atombombe in Japan sind sehr unterschiedlich. In Japan
verstrahlten Gamma-Strahlen und Neutronen den ganzen Körper. Nach dem
Unfall in Tschernobyl waren vor allem die großen Mengen an radioaktiven
Jod-Isotopen des Niederschlags verheerend", erklärte Williams.
Laut einem UN-Bericht waren rund fünf Millionen Menschen der ehemaligen
Sowjetunion der Strahlung direkt oder damit in Zusammenhang stehenden
gesundheitlichen Risiken ausgesetzt. 31 Menschen starben unmittelbar nach
der Katastrophe. Hunderttausende haben dem Bericht zufolge nach dem
Unfall die im höchsten Maß verseuchten Städte und Siedlungen im Umkreis
von 30 Kilometern verlassen.
Victor Chizhikov vom Cancer Research Center in Moskau betonte, dass sich
das Krebsrisiko nicht nur auf die Schilddrüse beschränkt. Eine Studie an
43 ehemaligen Reinigungsarbeitern habe ein signifikant erhöhtes Risiko
für die Entwicklung von Lungenkrebs ergeben. Grund dafür sei die
Einatmung radioaktiven Staubs in die Lunge.