London - Sarah Boseley von der britischen
Zeitung "The Guardian" hat zweifelhafte Praktiken im Medizinjournalismus
aufgedeckt. Pharmafirmen bezahlen Wissenschaftlern hohe Geldsummen, damit
diese ihren Namen unter Artikel setzen, die nicht von ihnen selbst
geschrieben wurden. Die Ärzte kennen dabei oft nicht die ursprünglichen
Daten. http://www.guardian.co.uk/uk_news/story/0,3604,646062,00.html
Anfänglich war im medizinischen Bereich Ghostwriting auf von der
Industrie gesponserten Zusatzbroschüren beschränkt. Nun ist es laut
Boseley ein übliches Mittel in allen großen Medizinjournalen. Betroffen
sind vor allem die Bereiche Kardiologie und Psychiatrie. Es geht dabei so
weit, dass Wissenschafter auch ein von der Firma bezahltes Symposium
abhalten, für das sie Summen zwischen 2.000 Dollar (2.305,69 Euro) und
10.000 Dollar (11.528,40 Euro) erhalten. Robin Murray, Leiter der
Abteilung für psychologische Medizin am Institut für Psychiatrie in
London, ist über diesen Zustand beunruhigt: "Es herrscht nun die
Situation, wo ein Publikum während des Vortrages eines bekannten
britischen Psychiaters unsicher wird, ob der Vortragende vom Inhalt
seines Vortrages überzeugt ist, oder ob dafür bezahlt wird."
Im psychotherapeutischen Bereich liegt darin nach Angaben von Boseley
eine bedeutende Gefahr. In den USA laufen einige Gerichtsverfahren, da
Personen, die unter dem Einfluss von SSRI (selekive serotonin reuptake
inhibitors), einem Antidepressivum, Selbstmord begangen oder Morde verübt
haben. Der Psychopharmakologe David Healy hat bewiesen, dass jene Firma,
die dieses Medikament vertreibt, sich auf Artikel verlassen hat, die von
Wissenschaftlern ohne Kenntnis der Daten authorisiert wurden. Auch die
Weltgesundheitsorganisation (WHO) http://www.who.int äußerte sich
betroffen zu den Abmachungen zwischen der Pharmaindustrie und Forschern:
"Wenn klinische Versuche zu einem kommerziellen Wagnis werden und
Eigeninteresse über dem öffentlichen Interesse stehen, ist der
gesellschaftliche Vertrag, der Forschung an Menschen für den
medizinischen Fortschritt erlaubt, gebrochen."