Wien/Andelsbuch - Der Kleinbauer ist nicht
arm und vom Aussterben bedroht, sondern hat die Möglichkeit, in Fülle zu
leben. Das strich einer der bekanntesten Bauern des Landes, der
Mitbegründer der Grün-Bewegung Kaspanaze Simma (Foto), anlässlich eines
Vortrages auf der Universität für Bodenkultur (Boku)
http://www.boku.ac.at/ in Wien hervor. Die Landwirtschaft habe sich zwar
in den vergangenen Jahrzehnten weg von der bäuerlichen hin zur
industriellen Wirtschaftsweise entwickelt, sei aber deshalb nicht
unbedingt effizienter geworden. Dass dies nicht blanke Theorie ist, zeigt
Simma am eigenen Beispiel: Er führt mit 8,7 Hektar landwirtschaftlicher
Nutzfläche und 5,5 Hektar Wald einen Vollerwerbsbetrieb, der seine
siebenköpfige Familie gut versorgt.
"Die industrielle Ökonomie setzt auf Arbeitsteilung. Das birgt aber nicht
nur ein großes Potenzial, sondern führt zur Auslagerung von Kosten und
einem Verlust von Erträgen", meint der Vorarlberger. So müsse sich ein
Büromensch nach dem Arbeitstag beispielsweise aufs - teure - Mountainbike
schwingen, um in der Natur zu sein. "Menschen führen hier einen Job aus,
freuen sich auf die Pension und betreiben in der Freizeit eine
Ersatzlösungskultur". Bei bäuerlicher Handarbeit sei das Naturerlebnis
aber zusätzlich mit dem sozialen Erlebnis verknüpft, indem bei der
Tätigkeit auch das Gespräch nicht zu kurz komme. "Beim händischen
Heuarbeiten tun wir etwas für die Seele und gleichzeitig haben Kinder ein
Betätigungsfeld", erzählt Simma.
Besonders hart ging der Bauer mit dem blinden Wachstumsglauben ins
Gericht: "Beim Bruttosozialprodukt (BSP) werden nützliche und schädliche
Dinge zusammengezählt und dennoch freuen sich die Ökonomen immer noch an
diesen Wachstumsraten." Die täglichen Börsenkurse seien eine Ausgeburt
dieser Weltanschauung. In diesem Zusammenhang machte er einen Vorschlag
für die Boku: "Einen Lehrstuhl für bäuerliche Ökonomie zu installieren
wäre eine spannende Alternative." Immerhin habe die bäuerliche Ökonomie
einen hohen Selbstversorgungsgrad, verkaufe Überschüsse und produziere in
Reinform keine Abfälle.
In der industriellen Landwirtschaft würden oft enorme Summen investiert,
die sich letztlich für den Bauern nicht rechnen. Viele Landwirte könnten
nur aufgrund der Förderungen überleben, so Simma. Er hingegen habe in 30
Jahren landwirtschaftlicher Tätigkeit in Summe 180.000 Schilling für
Maschinen investiert. "Ich brauche 100 Liter Treibstoff pro Jahr",
rechnete er den geringen Aufwand vor, dem weit höhere Erträge gegenüber
stehen. Als "letzte Reste für effizientes bäuerliches Wirtschaften"
nannte Simma die Almhütten. Hygieneverordnungen der EU bewirkten
allerdings, dass viele dieser Hütten in den vergangenen Jahren
weggerissen wurden, was Simma als "enorme Kulturzerstörung" bezeichnete.
Generell werde der Geldwirtschaft mitsamt BSP, obwohl dies nur rund ein
Drittel der gesamten Wirtschaftsleistung ausmache, viel zu viel
Aufmerksamkeit geschenkt, zitierte Simma die amerikanische
Wirtschaftswissenschafterin Hazel Henderson. Demnach teilen sich die zwei
weiteren Drittel auf die Natur sowie die Eigenarbeit (z.B. selbst
gekochtes Mittagessen) und Nachbarschaftshilfe auf.
"Wir Bauern sind von enormen Möglichkeiten auf unseren Anwesen umgeben",
sprach Simma von zwei Erlebnissen mit einer Studentin, die bereits vor
mehr als zwei Jahrzehnten auf seinem Hof zu Besuch war. Diese wunderte
sich, dass der Tee im Teebeutel ziehen musste und das Geschirrabwaschen
mit Pril erledigt wurde: "Ihr müsst doch nur vor die Hütte gehen und auf
den Boden greifen, um eine Handvoll Teekräuter zu bekommen. Und für das
Geschirr habt ihr doch die Molke."