Wien - Einer der Vorreiter der
biologischen Landwirtschaft, der Vorstand des Institutes für
Nutztierwissenschaften Alfred Haiger (Foto), verlässt nach 41
Dienstjahren mit mahnenden Worten die Universität für Bodenkultur (Boku)
http://www.boku.ac.at/ . "Solange so weitergewirtschaftet wird, werden
die Lebensmittelskandale nicht aufhören", kritisiert der Querdenker im
Gespräch mit pte das "absurde, ökologisch ruinöse, gesundheitsgefährdende
und kostspielige" Landwirtschaftssystem der EU und deren "Größenwahn".
Als Alternative eigne sich nur der ökologische Landbau, der auf der
natürlichen Bodenfruchtbarkeit und einer artgemäßen Viehhaltung beruhe
sowie eine gesunde Umwelt bewahre. In seiner - öffentlich zugänglichen -
Abschiedsvorlesung im großen Festsaal der Universität Wien wird Haiger am
Mittwoch, den 12. Juni, um 18.00 Uhr die "Bilanz eines Besorgten" ziehen.
"Ich habe Sorge um die Zukunft und will Vorschläge machen, die mir für
das Überleben der Menschheit in Frieden mit sich selbst und der Natur
geboten erscheinen", meint Haiger. Einer dieser Überlebens-Grundsätze
laute, dass es auf einer begrenzten Welt auf Dauer kein unbegrenztes
Wachstum geben könne. "Die Bäume wachsen nicht in den Himmel", verweist
der Wissenschafter auf ein Sprichwort. Schon Anfang der 80-er Jahre trat
Haiger als heftiger Kritiker der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung
auf, die den Wohlstand eines Landes am Bruttosozialprodukt (BSP) und
dessen Wachstum aufhängt. "Die Leistungen einer Hausfrau scheinen in
dieser Rechnung nicht auf. Positiv fürs BSP wirkt sich aber aus, wenn sie
einen Verkehrsunfall hat und in der Folge Spitals-, Medikamenten- und
Rehabilitationskosten anfallen", nennt Haiger ein Beispiel für die
Absurdität dieser Art von Wachstumsglauben.
Haiger, der in fast 150 öffentlichen Vorträgen vor der Volksabstimmung am
12. Juni 1994 seine Bedenken zum Beitritt Österreichs zur EU äußerte,
sieht sich heute in seinen Prognosen bestätigt: So habe sich das
Bauernsterben seither weiter beschleunigt, die Einkommen der Bauern seien
stark gesunken und die Osterweiterung werde für die heimischen Bauern
"ein Hammer". Außerdem sei es unmöglich, dauerhaften Frieden durch große
Zusammenschlüsse zu machen, dieser beginne bei der Familie und der
Gemeinde. Nur kleine Länder können laut Haiger die Welt ändern, denn
"alles übermenschlich Große werde unüberschaubar und korrupt", zitiert
der Professor den Salzburger Philosophen Leopold Kohr. Der
Ex-Bürgermeister von New York, Ed Koch, habe einst gesagt, er könne nur
beten, dass die Müllabfuhr regelmäßig ausfährt, da "ansonsten die Ratten
die Regierung übernehmen". "Der Bürgermeister einer kleinen Gemeinde hat
diese Sorgen nicht", meint Haiger.
Die Zukunft der landwirtschaftlichen Entwicklung und der
Lebensmittelqualität sieht Haiger "in der Überzeugungsarbeit am
Konsumenten". Hier könne man durch Aufklärung viel erreichen, wie sich
besonders deutlich bei den Eiern gezeigt habe: "Ein Drittel aller in
Österreich verkauften Eier kommt bereits aus alternativer Haltung", sieht
Haiger auch positive Trends. Er selbst war 1971 der Erste, der in der
Rinderzucht die Mutterkuhhaltung propagierte. Diese sei damals in
Österreich völlig unbekannt gewesen und habe ihm anno dazumal viele
Feinde bei Bauernvertretern eingehandelt, blickt Haiger zurück. Die
Geschichte gab ihm recht: Heute gibt es landesweit 650.000 Milch- und
250.000 Mutterkühe. Die Mutterkuhhaltung ermögliche, die Wiesen und Almen
zu erhalten. Die Boku selbst sieht Haiger im landwirtschaftlichen Bereich
"als Motor der Entwicklung im positiven und negativen Sinne". Im
Endeffekt sei es ihm bei seinem Tun immer um die Wahrheit gegangen, auch
wenn dadurch viele Hindernisse zu überwinden waren. Haiger: "Die Wahrheit
ist an der Quelle. Um dorthin zu kommen, muss man rudern und darf sich
nicht treiben lassen."