London - Ein sechswöchiger Aufenthalt in einem
Tempel im süd-indischen Tamil Nadu erzielt bei psychisch Kranken den
selben Effekt wie die monatelange Einnahme von Medikamenten. Wie
Psychiater vom National Institute of Mental Health and Neuroscience
(NIMHANS) im indischen Bangalore http://www.nimhans.kar.nic.in im British
Medical Journal http://bmj.com dokumentieren, seien durch das Tempelleben
die Symptome der psychischen Störungen um rund 20 Prozent zurückgegangen.
Diese Werte sind laut Meinung des Studienleiters Ramanathan Raguram vom
NIMHANS mit der Wirkung von Psychopharmaka zu vergleichen. Auch die
Familienangehörigen bewerteten den Zustand der Patienten im Verlauf des
Tages als wesentlich besser.
Die Studie wurde im Tempel von Muthuswamy in der Stadt
Velayuthampalayampudur in Südindien durchgeführt. Der Tempel wurde vor 60
Jahren errichtet und erlangte als Heilungsstätte für psychische Störungen
in Indien Popularität. Raguram untersuchte zwischen Juni und August 2000
31 Personen, die den Tempel zur Linderung ihrer psychischen Störungen
aufsuchten, mit üblichen Tests. Bei sechs der Patienten wurden
Wahnvorstellungen und bei 23 eine paranoide Schizophrenie diagnostiziert.
Zwei der Patienten waren manisch-depressiv. Am Ende ihres Aufenthaltes
bei den Hindu-Mönchen verbesserten sich die Werte des so genannten
"Brief-psychiatric-rating-scale"-Tests um 20 Prozent. Der Test erhebt 18
psychotische Symptome auf einer Sieben-Punkte-Skala.
Die Patienten wurden im Tempel nicht speziell behandelt und mussten für
die Verbesserung des geistigen Zustands an keinen Ritualen oder
Zeremonien teilnehmen. Sie sprachen einzig ein 15-minütiges Morgengebet
und verbrachten den Rest des Tages mit routinemäßiger Gartenarbeit. "Den
Patienten wurde lediglich eine Umwelt ohne Bedrohungen geboten. In der
Geschichte der Psychiatrie waren dies die ursprünglichen Intensionen,
warum diese Zufluchtsstätten gebaut wurden", so Raguram. In Indien
besuchen viele geistig kranke Personen aller Glaubensrichtungen diese
religiösen Orte. Der Psychiater schmälert aber die Ergebnisse der Studie,
da es keine Vergleichsgruppe gab. "Um die Wirksamkeit zu überprüfen,
müsste eine Doppel-Blind-Studie durchgeführt werden", so Raguram. Weiters
weist er darauf hin, dass jeder Tempel anders funktioniert und es daher
unzulässig sei, die Resultate zu generalisieren bzw. diese auf andere
Tempel zu übertragen.