Braunschweig - Ein alter Forschertraum steht
kurz vor seiner Verwirklichung: Supraleitende Kabel ohne Spannungsverlust
zu entwickeln. Wissenschaftlern in Braunschweig ist es gelungen,
Stromkabel zu entwickeln, die elektrische Energie ohne
Übertragungsverluste transportieren. Für die Stromversorgung kann die
Umsetzung dieser Forschungen enorme Folgen haben: "Wenn in Deutschland
ein Prozent Energie gespart wird, kann ein Kraftwerk abgeschaltet
werden", sagt Professor Georg Wahl, Leiter des TU-Instituts für
Oberflächentechnik und plasmatechnische Werkstoffentwicklung (IOPW)
http://www.tu-bs.de/institute/iopw/ in Braunschweig.
Mit dem neuen Kabel werden diese Verluste bis zu 30 Prozent gesenkt.
Bevorzugtes Anwendungsgebiet sind Ballungszentren, in denen die
vorhandenen Kabelkanäle für den wachsenden Energiebedarf zu eng werden.
Wahl erwartet, dass die ersten dieser supraleitenden Testkabel in fünf
Jahren verlegt werden. Weitere Einsatzmöglichkeiten dieser
Beschichtungstechnik sind Wärmedämm- und Korrosionsschutzschichten für
Turbinen, die Temperaturen von mehr als 1000° Celsius aushalten sollen.
Damit kann deren Wirkungsgrad erhöht und gleichzeitig der Ausstoß des
umweltbelastenden Kohlendioxids verringert werden.
Obwohl das Supraleitermaterial spröde ist. "Das lässt sich mit Glaswolle
vergleichen", erläutert Wahl. "Glaswolle ist wegen der vielen dünnen
Stäbchen biegsam, eine Glasscheibe hingegen nicht." Das unter seiner
Federführung entwickelte Kabel lässt sich dank vieler dünner Schichten
biegen und somit besser verlegen. Er benutzt dafür ein Verfahren, das
schon Mitte des 19. Jahrhunderts entdeckt wurde und seit etwa 30 Jahren
in der Halbleitertechnik angewendet wird.
Wahls Institut ist die einzige Forschungseinrichtung in Deutschland, die
sich ausschließlich mit diesen speziellen Verfahren zur Beschichtung von
Oberflächen beschäftigt und hat bei der Entwicklung neuer supraleitender
Kabel weltweit die Nase vorn. "Wir haben hier ein Verfahren erprobt, das
wesentlich wirtschaftlicher ist als andere", betont Oliver Stadel. Er
hat im Rahmen seiner Doktorarbeit eine Pilotanlage gebaut, in der solche
supraleitende Bänder hergestellt werden. Innerhalb der nächsten drei
Jahre ist eine Fertigung vorgesehen. Damit wird eine völlig neue
energiesparende Technologie verfügbar sein, die auch die Technik von
Transformatoren, von Motoren und Generatoren für Schiffsantriebe und
Eisenbahnen revolutionieren wird. Vorschusslorbeeren gab es bereits: Beim
Promotion-Wettbewerb der Wolfsburg AG wurde das Vorhaben ausgezeichnet,
der Naturschutzbund Deutschland verlieh zusätzlich einen Umweltpreis. Die
Wissenschaftler werden zu mehr als 80 Prozent aus Drittmitteln
finanziert; das Institut arbeitet intensiv mit der Moskauer
Elite-Universität Lomonossow zusammen.