Wien - Die Entwicklung der
Weltbevölkerung zeigt zwei große Trends: Der Bevölkerungsexplosion in den
sogenannten "Least Developed Countries" stehen Bevölkerungsrückgänge in
den entwickelten Staaten, insbesondere Europa, gegenüber. Die Kluft
zwischen Arm und Reich wird weiter dramatisch wachsen. Ebenso dramatisch
sind die zu erwartenden Auswirkungen der Immunschwächekrankheit Aids: Bis
2050 wird sich die Bevölkerung im südlichen Afrika um rund 22%
reduzieren. Anlässlich des Weltbevölkerungs-tages am 11. Juli stellt die
Österreichische Stiftung für Weltbevölkerung und Internationale
Zusammenarbeit (SWI) Strategien und Programme zur Eindämmung der
Bevölkerungsexplosion vor.
Derzeit leben 6,3 Milliarden Menschen auf der Welt. In den kommenden 50
Jahren wird die Zahl der Bevölkerung - aus heutiger Sicht -
voraussichtlich auf 9,1 Milliarden wachsen. Für die Menschheit bedeutet
dies einen weiteren Zuwachs von über 50% in der ersten Hälfte des 21.
Jahrhunderts. 99% dieses Wachstums findet in den Entwicklungsländern
statt. Bis zum Jahr 2050 werden sich Bevölkerungszahlen in den 49 ärmsten
Ländern der Welt von heute 688 Mio. auf 1,7 Mrd. Menschen mehr als
verdoppeln, das entspricht dann einem Fünftel der Weltbevölkerung. In
einigen Ländern - wie z.B. Angola, Burkina Faso, Guinea, Jemen, Somalia
und Uganda - werden sich die Bevölkerungen auf Grund ihrer Wachstumsraten
in den nächsten 50 Jahren mehr als verdreifachen, im Niger sogar
vervierfachen. "Gerade in den ärmsten Ländern führt die
Bevölkerungsexplosion zur Überlastung der Gesundheits- und
Bildungssysteme und gefährdet damit die wirtschaftliche Entwicklung"
beschreibt Ulrike Plichta, Geschäftsführerin der Österreichischen
Stiftung für Weltbevölkerung und internationale Zusammenarbeit (SWI), den
Teufelskreis in den Entwicklungsländern.
Familienplanung als Maßnahme zur Armutsbekämpfung
Die Ursache für die Entwicklung der Weltbevölkerung liegt auf der Hand:
Während in den 49 ärmsten Ländern eine Frau durchschnittlich 5,3 Kinder
zur Welt bringt, liegt die Gesamtfruchtbarkeitsrate in den
Industriestaaten bei 1,50 Kindern pro Frau. In 18 Ländern der Welt liegt
die Fertilität sogar bei über sechs Kindern pro Frau, wobei dort die
Lebenserwartung mit durchschnittlich 49 Jahren zu den niedrigsten auf der
Welt zählt.
Die Ursache dieser unkontrollierten Entwicklung sieht Plichta in der
staatlichen Handlungsunfähigkeit: "Die Regierungen dieser Länder sehen
sich oft nicht in der Lage, entsprechende Familienplanungsangebote zu
finanzieren. Die Versorgung mit Verhüttungsmitteln ist meist nicht
gesichert. Externe Faktoren wie Korruption, Bürgerkriege, instabile
Regierungen machen zudem selbst die besten Absichten zunichte".
Empowerment von Frauen als Schlüssel gegen Bevölkerungsexplosion
Die Förderung von Frauen wird heute von vielen Bevölkerungsprogrammen als
Schlüssel zur nachhaltigen Förderung wirtschaftlicher und sozialer
Entwicklung sowie zur Verlangsamung des Bevölkerungswachstums gesehen.
Der Status von Frauen kann vor allem durch vermehrte Bildungschancen
erhöht werden. Der Abbau patriarchaler Strukturen und die Überwindung der
vielfältigen Diskriminierungen, die mit der Ausgrenzung von Frauen
einhergehen, sind eine prinzipielle Voraussetzung für den Erfolg jedes
entwicklungspolitischen Handelns. "Empowerment der Frauen ist deshalb in
Hinblick auf Ausbildung, Selbstbestimmung und wirtschaftliche sowie
politische Teilnahme am gesellschaftlichen Leben von großer Bedeutung,"
erklärt Ulrike Plichta, "denn ohne sie bleiben bevölkerungs- und
entwicklungspolitische Ziele unerreichbar. Wo sich Frauen
gesellschaftlich und beruflich entfalten können und ihr sozialer Status
steigt, sinkt ihre ökonomische Abhängigkeit von ihrer Familie. Und
berufstätige Frauen haben weder Interesse an einer frühen Schwangerschaft
noch an einer großen Kinderzahl."
Bevölkerungswachstum versus Wirtschaftswachstum
"Solange die Wachstumsrate der Bevölkerung über jener der Wirtschaft
liegt, bleiben die Menschen in der so genannten demographischen Falle
gefangen und haben kaum Chancen der Armut zu entkommen," erläutert
Plichta. Arme Länder können mit Investitionen in ihre Bevölkerung nicht
warten, bis sie wohlhabend sind. Vorrangig muss in Grundschulen, nicht in
elitäre Bildung, in Basisgesundheitsversorgung, nicht in Hochtechnologie
investiert werden. Erst wenn alle "Armutsinseln" innerhalb eines Landes
beseitigt sind, kann die Wirtschaft nachhaltig wachsen. Allein bis zum
Jahr 2015 werden 1,5 Mrd. Menschen in den Entwicklungsländern zwischen 20
und 24 Jahre alt sein und einen Arbeitsplatz benötigen.
Afrika: größte Anzahl von HIV/Aids-Infizierter
Dramatischen Einfluss nimmt nun auch die Verbreitung von HIV/Aids auf die
Entwicklung der Bevölkerungszahlen. Besonders in Afrika hat sich dabei
die Lage weiter verschärft. In einigen afrikanischen Ländern sind ein
Viertel bis ein Drittel der Erwachsenen mit dem HI-Virus infiziert. Mit
mehr als 23 Millionen HIV-Infizierten ist Afrika südlich der Sahara am
schlimmsten von der Epidemie betroffen. 38,8% der Erwachsenen im Alter
von 15 bis 49 Jahren in Botswana leben mit HIV/Aids. In Lesotho,
Swasiland und Simbabwe sind schätzungsweise ein Drittel der Erwachsenen
HIV-infiziert. In Namibia, Südafrika und Sambia sind es mehr als 20% der
15- bis 49-Jährigen. In neun weiteren afrikanischen Ländern sind mehr als
10% der Erwachsenen Träger der Krankheit.
SWI präsentiert Datenposter
Anlässlich des Weltbevölkerungstages am 11. Juli präsentiert dazu die
Österreichische Stiftung für Weltbevölkerung und Internationale
Zusammenarbeit (SWI) ihr Datenposter 2003, das soziale und demographische
Daten zu den Ländern und Regionen der Welt beinhaltet. "Wir haben uns zum
Ziel gesetzt, Fragen der globalen Bevölkerungsentwicklung in der
österreichischen Öffentlichkeit stärker zu thematisieren", erläutert die
Geschäftsführerin der SWI.
Die wichtigsten Zahlen zur Bevölkerungsentwicklung
Asien: Die mit 3,8 Milliarden Menschen bevölkerungsreichste Region der
Welt wird bis zur Mitte des Jahrhunderts um weitere 1,5 Milliarden
Menschen wachsen. Indien wird mit 600 Millionen Menschen nicht nur in
Asien, sondern auch weltweit das zahlenmäßig höchste Bevölkerungswachstum
verzeichnen.
Afrika: In Afrika leben heute 861 Millionen Menschen. Im Jahre 2050 wird
die Bevölkerung trotz der verheerenden Auswirkungen von Aids insgesamt um
eine Milliarde Menschen wachsen. Eine Ausnahme stellt das südliche
Afrika, das am schlimmsten von der Epidemie betroffen ist, dar: In diesem
Teil des Kontinents wird die Bevölkerungszahl bis 2050 um 22% abnehmen.
Mit Botswana, Südafrika und Swasiland sind erstmals afrikanische Länder
unter den ersten 18 im weltweiten Ranking der Länder mit abnehmenden
Bevölkerungszahlen vertreten.
Lateinamerika und Karibik: Die derzeitige Fertilität und damit auch das
Bevölkerungs-wachstum in Lateinamerika und der Karibik sind mit dem
Asiens vergleichbar. Die Bevölkerung der Karibik wird bis 2050 um 36%
ansteigen, die Bevölkerung Südamerikas um 42%. In Zentralamerika beträgt
der Zuwachs voraussichtlich 60%.
Nordamerika: In den USA beobachtet man eine absteigende Tendenz: Die
durchschnittliche Kinderzahl pro Frau in den USA ist von 2,056 im Jahre
2000 auf 2,034 im Jahre 2001 gesunken.
Europa: In Europa wird die Bevölkerungszahl lediglich in Nordeuropa
leicht zunehmen (um etwa 6%). Der Rest des Kontinents wird einen
deutlichen Bevölkerungsrückgang erleben. "Europa ist die einzige größere
Region der Welt, in der bis 2050 mit einem Rückgang der Bevölkerung zu
rechnen ist. Gleichzeitig steigt das Durchschnittsalter der Bevölkerung.
Wenn Europa sein Wirtschaftswachstum beibehalten will, muss es einen Weg
finden, um die derzeit niedrige Fertilität zu erhöhen, oder es muss seine
Einwanderungspolitik ändern" so Plichta zur Position Europas vor dem
Hintergrund der demografischen Entwicklung der Weltbevölkerung.
Weitere Informationen:
Österreichische Stiftung für Weltbevölkerung und Internationale
Zusammenarbeit
Gumpendorfer Straße 22/7, 1060 Wien, Tel. 01/5857699;
http://www.swi-austria.org