HINTERGRUND / Hamburg - Die ersten Lösungen für das
Telefonieren über die Datenautobahn gab es 1995, doch auch heute, fünf Jahre
später, hat die IP-Telefonie immer noch nicht besonders viele Anhänger. Wer
es probiert, resigniert nur zu oft wegen der miserablen Qualität der
Netzgespräche. Es knackt und hakt an allen Ecken. Nach einer Studie des
amerikanischen Marktforschungsunternehmens IDC http://www.idc.com/
telefonieren im Jahr 2000 weltweit gerade mal 16 Millionen Menschen via
Internet. Davon sind zehn Millionen geschäftliche Nutzer, sechs Millionen
plaudern privat. Spitzenreiter sind die USA.
Dabei könnte man mit Internet-Telefonie viel Geld sparen. Wer via Internet
nach Amerika telefoniert, wird zum Ortstarif verbunden. Weil die Sprache in
Datenpakete zerstückelt über das Netz versandt wird, berechnet der Zähler
nur die Online-Gebühren. Der Nachteil: Auf dem Weg zum Ziel müssen die
verschnürten Sprachfetzen oft über unzählige Kreuzungen verschiedener
Anbieter. Herrscht reger Betrieb auf dem Datenhighway, stecken einige
Päckchen im Stau während andere schon längst angekommen sind. Der Mensch am
anderen Ende der Leitung vernimmt Kauderwelsch oder gar nichts.
"Die ganze Technik steckt noch in den Kinderschuhen. Für private Anwender
lohnt sich der ganze Aufwand nur, wenn sie sehr viele Gespräche ins Ausland
führen", glaubt Uwe Schaadt, Geschäftsführer des jungen
Telekommunikationsunternehmens Install.exse bei Mannheim. Lohnend ist das
Ganze aber für größere Firmen. Jene verschicken interne Daten oft über eine
eigene Standleitung. Da diese meist nur zu 20 Prozent ausgelastet ist,
können Sprachpakete ungehindert wandern. Die gesamte Kommunikation kann also
über das Internet abgewickelt werden - in erstklassiger Sprachqualität und
zu geringen Kosten.
"In ein bis zwei Jahren hat sich die Internet-Telefonie etabliert", vermutet
Evert Kornmayer, Geschäftsführer des Online-Informationsforums Center Of
Communication. Diese Einschätzung teilen auch die amerikanischen
Marktforscher von Frost & Sullivan: Neben Großbritannien und den
skandinavischen Ländern zähle Deutschland zu den wichtigsten neuen Märkten
in Sachen Internet-Telefonie.
Prof. Dr. Klaus Merle, Leiter des Zentrums für Datenverarbeitung an der
Mainzer Uni, erforscht seit zwei Jahren die Internet-Telefonie. Im Herbst
dieses Jahres wollen Merle und sein Team ein Gerät vorstellen, das einen
normalen Telefonapparat in ein Internet-Telefon verwandelt. Einen PC braucht
man dazu nicht. Die Merle-Box wird einfach vor die Telefonbuchse geklemmt
und wandelt die normalen Telefondaten in Internet-Datenpakete um.
Ein deutsches Telefonunternehmen bietet seit einiger Zeit billige Gespräche
mit Extra-Vorwahl zu Mobiltelefonen an. Die Sprachdaten werden in kleine
Pakete umgewandelt, über eine störungsfreie Internet-Leitung nach Amerika
geschickt, dort wieder ins alte Format gewandelt und zum Handy nach
Deutschland gesandt. Das kostet weniger, weil in den USA Gespräche von
Festnetz zu Handy billiger sind. Da Internet-Telefonie jedoch noch immer für
Knacken und Rauschen steht, will besagtes Unternehmen lieber ungenannt
bleiben.
So funktioniert IP-Telefonie:
Die Datenübertragung geschieht per IP-Übertragungsprotokoll. Die
Sprachsignale werden als Pakete über das Internet versendet. IP zerlegt
dabei die Daten in mehrere Blöcke, die beim Empfänger gesammelt und wieder
zusammengesetzt werden. Während beim normalen Telefonieren jeder Anrufer
eine Leitung besetzt, düsen bei der Internet-Telefonie unzählige
Sprachpakete über eine große Datenautobahn, die zeitgleich von unzähligen
Anwendern genutzt wird. Wer online quasseln will, braucht einen Online-PC,
ein Mikrofon und eine Telefonsoftware - letztere gibt es auch kostenlos, wie
zum Beispiel Microsofts NetMeeting. Um anrufen zu können, muss der
gewünschte Gesprächspartner allerdings auch online sein. Gespräche von PC zu
Telefonanschluss lassen sich mit etwa dem Programm Net2Phone führen - dabei
werden allerdings Extra-Gebühren fällig.