NEBELBERG: Die finsterste Zeit im Jahr, die Zeit rund um die Wintersonnenwende, erfüllt die Menschen seit Urzeiten mit Angst – und doch auch mit Hoff-nung. Es ist die Zeit der Geister und Seelen. Vielfältiges Brauchtum, Orakel, Magie und Aberglaube ranken sich um diese Tage und be-sonderen Nächte, die Raunächte. Winterwetter, Schneetreiben, Frost und Stürme machen das Geheimnisvolle noch geheimnisvoller. Und dazwischen – wie ein heller, warmer Schein – das christliche Brauch-tum. Damit befasst sich „Erlebnis Österreich“ aus dem Landesstudio Oberösterreich, eine Sendung auf den Spuren des Volksbrauches in den Raunächten.
„Raunacht san vier – zwoa foast und zwoa dürr!“ So werden in einem Merkvers die Raunächte nach der Kost des Abendmahles in „magere“ und „feiste“ Raunächte zu unterteilt.
Aus dem einstigen Dutzend Raunächten zwischen 24. Dezember und 6. Jänner sind vier Hauptraunächte erhalten geblieben, in denen der Volks-glaube das „Wilde Gjoad“ umziehen lässt, ein Sammelsurium verdammter und fluchwürdiger Gestalten, ein Geister- und Totenheer unter seinem Anführer Wotan. Die „heiligen Zwölften“ waren nämlich den im Wintersturm heranziehenden heidnischen Gottheiten geweiht. Gegen diese umtriebigen Gestalten gilt es sich durch verschiedene Abwehrrituale zu schützen.
Im Salzkammergut sind es die Glöckler, denen in der Dreikönigsraunacht diese Aufgabe zuteil wird. Der Glockenlärm der weiß gekleideten Männer mit ihren bunten Lichterkappen soll böse Geister und die Finsternis vertreiben und das unter der Erde schlummernde Getreide aufwecken. In der Metten-nacht, der Silvesternacht und der Dreikönigsraunacht wird auch „geräu-chert“: Weihrauch, Weihwasser und geweihtes Brot, das ans Vieh verfüttert wird, sollen Unglück abwenden. „Erlebnis Österreich“ besucht eine Familie im Unteren Mühlviertel, in Rechberg, und begleitet sie beim Räuchern durch Haus, Hof und Stall.
Die Raunächte sind aber auch ein idealer Zeitpunkt, um einen Blick in die Zukunft zu werfen. Mit Orakelbräuchen, die sich längst zur geselligen Unterhaltung gewandelt haben, hofft man, Vorhersagen treffen zu können. Eine Familie aus Altmünster folgt in der Thomasnacht, der ersten Raunacht, stets den alten Bräuchen wie „Hütelheben“ und „Apfelkernzählen“.
Auch die Silvesternacht gilt als „Losnacht“, in der in die Zukunft geschaut werden kann. Eine Innviertler Familie hat Spaß am Wachsgießen und „Pat-schenwerfen“. Zudem soll hier auch der Baumgeist wachgerüttelt werden, damit die Obsternte im kommenden Jahr reich ausfallen möge.
Die Zwölftenzeit ist aber auch eine Zeit, in der immer noch Heischegruppen von Haus zu Haus ziehen, mit Sprüchen und Liedern um Krapfen und andere süße Köstlichkeiten betteln. Rund 70 Mann sind in das zweitägige „Nebelberger Raunachtsspiel“ eingebunden. Dieses szenische Spiel kündigt das Ende der finsteren Zeit an und gibt mit seinen maskierten Figuren einen Vorgeschmack auf die folgende Narrenzeit.
Eine besondere Form des Raunachtsbrauches hat sich in Gmunden entwi-ckelt: Heidnisches trifft auf Christliches. Der Dreikönigslegende nach, kom-men die hohen Herren per Schiff über den See und treffen auf hunderte Glöckler, die mit ihren hell erleuchteten Lichterkappen ihre Runden drehen.
„Die wilde Jagd geht um“ – ein „Erlebnis Österreich“ über das vielfältige Brauchtum zur Zeit der Wintersonnenwende, in dem sich das ständige Machtspiel zwischen Gut und Böse, zwischen Finsternis und Licht wider-spiegelt.
Redaktion: Klaus Huber
Gestaltung: Sandra Galatz
Kamera: Rudolf Urban
Schnitt: Markus Tremel
Eine Produktion des ORF Oberösterreich