NIEDERWALDKIRCHEN: Danach warten mit dem Grand Slam in Baku (AZE/6.-8. Mai) und dem Grand Prix in Almaty (KAZ/13.-15. Mai) nur noch zwei echte Gelegenheiten, um Punkte für Rio zu sammeln. „Echte“ deshalb, da am abschließenden Masters in Guadalajara (MEX/27.-29. Mai) nur noch die besten 16 der Weltrangliste teilnehmen dürfen, sprich: dort geht es nur mehr um Positionskämpfe zwischen ohnehin bereits qualifizierten Athleten.
Die Ausgangslage des 23-jährigen Mühlviertlers ist jedenfalls verheißungsvoll. Im bereinigten Olympic Race seiner Klasse über 100 kg liegt er derzeit zwar „nur“ an 19. Stelle (die besten 22 qualifizieren sich direkt für Olympia), sein Polster auf den ersten Nicht-Qualifizierten fällt mit über 200 Punkten jedoch recht beruhigend aus.
„Es muss schon mit dem Teufel zugehen, sollte Dani da noch rausfallen“, glaubt Pepi Reiter fest an einen Rio-Start des Schwergewichts aus St. Peter. Der UJZ-Trainer weiß, wovon er spricht, schließlich war er 1988 der bislang letzte Mühlviertler Judoka, der es zu Olympischen Ehren schaffte. Und schließlich war er es auch, der mit Bronze 1984 Österreichs erste Olympia-Medaille im Judo holte.
„Olympia ist das Größte, was es im Judo gibt. Das UJZ wird alle Kräfte forcieren, damit Dani es schafft“, will UJZ-Präsident Franz Haugeneder ihn unterstützen, wo es nur geht.
Breiter war die Brust noch nie
Die Frage, ob es sich mit Olympia ausgehe, bekam Allerstorfer in den letzten Monaten hundertfach gestellt. „Meine Antwort darauf ist immer dieselbe: Fix ist nichts, aber es sieht gut aus“, wiederholt er wie ein Mantra.
Wo er nun genau stehe und wie viele Punkte er genau habe, wusste bzw. weiß der ehemalige U20-Europameister selbst nicht immer so genau. „Ich hatte so Phasen, in denen ich mir fast täglich das Ranking und die neuesten Verschiebungen angeschaut habe. Das war vor allem nach meinen ersten guten Quali-Ergebnissen der Fall. Da willst du einfach wissen, wie viel dir das gebracht hat. In den letzten Monaten habe ich aber fast gar nicht mehr reingeschaut. Auch, weil es mir schon ein wenig auf die Nerven geht“, hat er keine Lust mehr auf irgendwelche Rechenspiele. „Jetzt soll die Quali endlich her“, meint er in Richtung EM.
Noch nie ging der Heeressportler mit einer derartig breiten Brust bei einer EM an den Start. Vor allem der Sieg über den amtierenden EM-Champion Adam Okruashvili (GEO) beim Grand Prix in Düsseldorf vor zwei Monaten hat seine Spuren im Selbstbewusstsein hinterlassen. „So gut wie jetzt, war ich noch nie drauf. Die Hausaufgaben sind gemacht!“
Die internationale Hackordnung im Schwergewicht ist insbesondere bei großen Meisterschaften zumeist eine recht klare, weshalb für Allerstorfer ein Platz unter den besten Sieben das Ziel ist.
Was wäre ihm lieber: Eine EM-Medaille oder das Olympia-Ticket? „Na eine EM-Medaille, weil dann hätte ich das Ticket auch sicher in der Tasche“, meint der Youngster mit einem Augenzwinkern.
Seine arme, arme Freundin…
Nach der EM werde Allerstorfer gemeinsam mit Herren-Nationaltrainer Patrick Rusch durchrechnen, ob das Rio-Ticket schon in trockenen Tüchern sei. Wenn ja, werde man sofort mit der Olympia-Vorbereitung beginnen. Plus: „Dann kann ich auch beim Bundesliga-Auftakt gegen Pinzgau mit dabei sein.“
Falls noch nicht, dann werde er noch in Baku und Almaty antreten, um den Traum endgültig Realität werden zu lassen. Einen Traum, der erstmals im Junioren-Alter richtig plausibel schien. „Ich habe mich immer mit älteren Jahrgängen verglichen, habe mir angeschaut, wo sie früher standen und wo heute. Irgendwann habe ich mich dann gefragt: Warum sollte ich das nicht auch schaffen?“
Der Weg gestaltete sich jedoch steinig und voller Entbehrungen. Zur besseren Illustrierung: DieHälfte des Jahres 2015 (exakt waren es 183 Tage)war Allerstorfer mit dem Nationalteam für Trainingslager oder Wettkämpfe unterwegs. Ebenfalls für Training und Turniere legte er alleine in den vergangenen fünf Monaten rund 62.000 Straßen- und Flug-Kilometer zurück, was dem rund eineinhalbfachen Erdumfang entspricht. „Dabei ist da die Strecke von Linz ins Vereins-Training nach Niederwaldkirchen noch nicht einmal eingerechnet“, lacht der Kilometer-Fresser, dem es am liebsten wäre, wenn im August dann noch einmal 9.770 Kilometer (Luftlinie Linz-Rio) dazukommen.
Doch harte Arbeit und Engagement zahlen sich aus: Unter den 22 Athleten, die im Moment in der +100-kg-Klasse direkt für die Spiele qualifiziert wären, ist Allerstorfer der drittjüngste Athlet. Nur der hervorragend klassierte Iakiv Khammo (UKR) und Kraftpaket Alex Garcia Mendoza (CUB) übertrumpfen ihn in dieser Hinsicht.
Ein dickeres Fell zugelegt
Es sieht also gut aus, dass Österreich erstmals seit Eric Krieger 1996 wieder einen Schwergewichts-Judoka im Zeichen der fünf Ringe stellt. Dabei wäre es bei Allerstorfer beinah gar nicht so weit gekommen: Nach der WM 2014 stand er im Nationalteam in der Kritik.
Trotz seiner jungen Jahre schien er an einem Scheideweg seiner Karriere angekommen zu sein. „Das war echt zäh für mich, aber auch sehr lehrreich. Ich habe damals schon mit dem Gedanken gespielt, dass ich den Hut draufhaue, aber wirklich gefährlich war das bei mir nie. Rückblickend habe ich mitgenommen, dass Kritik von außen auch dazu gehört. Man bekommt dadurch ein dickeres Fell“, so Allerstorfer.
Steckbrief Daniel Allerstorfer
Geboren: 4. Dezember 1992
Aufgewachsen in St. Peter am Wimberg, wohnt jetzt in Linz
Gewichtsklasse: +100 kg
Vorbild: Josef Reiter
Spezialtechnik: tiefer Schulterwurf (Seoinage)
Größte Erfolge: 3 Grand-Prix-Podeste, U20-Europameister-Titel 2011, 2 x Staatsmeister