In der Früh, als er im Hotel in den Lift eingestiegen war.
Ungefähr da muss es gewesen, als
Daniel Allerstorfer gemerkt hat, dass er heute irgendwie anders drauf war. Anders als bei seinen bisherigen drei WM-Turnieren. "Da wurde mir klar, dass ich die notwendige 'Scheiß-mir-nix'-Mentalität hatte", verriet der 24-Jährige.
Doch woran er das ausgerechnet bei der morgendlichen Liftfahrt gemerkt hat? "Da bin ich bis auf zwei Zentimeter an den Spiegel gegangen und habe so gemacht", wippte er angriffslustig mit dem Oberkörper flink nach links und dann nach rechts. Zugegeben, das mag jetzt hier schwer zu erklären sein, aber jeder, der sich schon einmal bereit für volle Attacke gefühlt hat, der weiß, was gemeint ist.
Und flink und spritzig war der Petringer in der Tat, wie er gleich nach einem Freilos unter Beweis stellte. Was auch notwendig war. Schließlich gab es wesentlich angenehmere Auftaktgegner als den
Iakiv Khammo. Dem Ukrainer, der bei der letzten WM Dritter wurde, war der Heeressportler bereits zweimal unterlegen. Diesmal aber nicht. Mit souveränem Griff und gefälligen Attacken drückte Allerstorfer Khammo in der Verlängerung die entscheidende Bestrafung aufs Auge.
Österreich 2. Japan 0.
Der große Coup gelang Allerstorfer im Achtelfinale, in dem er den japanischen Koloss
Takeshi Ojitani in einem packenden Fight (Videos von allen Kämpfen sind weiter unten) in die Knie zwang. Ein Kampf, der in gewisser Hinsicht eine Vorleistung hatte.
Stephan Hegyi hatte zuvor mit seinem überraschenden Sieg über den Olympia-Zweiten
Hisayoshi Hirasawa demonstriert, dass die in Budapest so dominanten Japaner nicht unbezwingbar sind.
Und was der 19-jährige Teamkollege kann, warum sollte das man nicht auch selbst können? Das oder so etwas Ähnliches dürfte Dani auch von
Sabrina Filzmoser zu hören bekommen haben. "
Sabsi war den ganzen Tag über in der Warmup-Area bei mir. Alle zehn Minuten hat sie auf mich eingeredet, dass die Japaner nach Harasawas Niederlage vielleicht sogar ein wenig nervös wären, Druck hätten", schildert Dani.
Der Kampf selbst war ein Krimi. Nach zwei ausgeglichenen Minuten und jeweils zwei Shidos kam Ojitani mit einem Uchimata durch. Angesichts der Schwierigkeit, dass man den Japaner überhaupt in Bewegung brachte, schien das dafür gegebene Waza-ari bereits wie eine Vorentscheidung.
Das täuschte jedoch. Eine Minute vor dem Ende übernahm Allerstorfer geschickt einen Hiza-Ansatz Ojitanis mit einem Ko-uchi: Ausgleich! Doch damit nicht genug, konterte Dani den vormaligen Asienmeister nur zwanzig Sekunden später aus einem Uchi-mata-Angriff heraus auf ein zweites Waza-ari, das er unter dem Jubel der zahlreichen und lautstarken österreichischen Fans über die Zeit brachte. "Es war so unerwartet und dann doch so einfach. Wenn du jemanden zweimal so übernimmst, dann lacht dir innerlich einfach das Herz", plauderte der Mühlviertler aus dem Nähkästchen.
Foto: Christian Fidler
Bei seiner vierten WM stand Dani nach Kamikawa (2014) und Shichinohe (2015) zum dritten Mal einem Japaner gegenüber. "Sollen sie's mir einfach herschicken", war er nach seinem ersten Sieg zu scherzen aufgelegt.
Eine Stufe höher
So schön und toll der Einzug in das WM-Viertelfinale auch war, umso schwerer war die dort wartende Aufgabe. Der regierende Europameister
Goram Tushishvili benötigte nur kurz, um den letzten Österreicher mittels eines tiefen Sode-tsuri-komi-goshis in die Trostrunde zu schicken. "Da habe ich am eigenen Leib erfahren, wie viel Power eigentlich in dem steckt", so Allerstorfer über den Georgier, der im folgenden Halbfinale
Teddy Riner beinahe dessen erste Niederlage seit sieben Jahren zugefügt hätte.
In der Trostrunde unterlag Dani letztendlich dem brasilianischen Pflock
Rafael Silva mit Shido im Golden Score. Eine Partie mit wenigen Höhepunkten, weil es in dieser in erster Linie um den Griff ging. "Es ist schwierig, wenn du bei so einem Baum die Hand nicht lösen kannst", erklärt Allerstorfer, warum er nicht öfter angreifen konnte. Zumal mit jedem eigenem Angriff die Gefahr mitschwang, gekontert zu werden. "Ich war beim Zugreifen schon voll am Limit, konnte nichts mehr drauflegen", pustete der Mühlviertler danach durch. Als er das sagte, wurde Silva nur wenige Meter davon entfernt auf einer sich biegenden Barre gerade von drei Masseuren bearbeitet. Ein Indiz dafür, wie sehr auch der Brasilianer schon aus dem letzten Loch Pfiff.